Tausendundeine Nacht - Erwachsene Märchen aus 1001 Nacht
schlucken.«
»Kannst du den Blitz in einem Netze fangen oder Wasser in einem Siebe schöpfen ?«
Damit verließ Kamr essaman seinen Vater und ging seines Weges. Der König Schah Seman ließ seinen Vezier rufen und setzte ihn in Kenntnis von allem, was zwischen ihm und seinem Sohne sich zugetragen hatte. Dann sagte er zu ihm: »Da du mir doch den Rat erteilt hast, ihn zu vermählen, sage mir, was ich jetzt, da er sich so ungehorsam zeigt, mit ihm anfangen soll!« – »Mein König!« antwortete der Vezier, »gib dem Prinzen noch ein Jahr Frist. Nach Verfluß des Jahres läßt du ihn wieder vor dem ganzen Divan zu dir rufen und sprichst wieder von seiner Vermählung. Er wird sich gewiß schämen und es nicht wagen, dir zu widersprechen.« Der König nahm diesen Rat an und wartete wieder ein Jahr. Dann versammelte er den Divan und ließ seinen Sohn rufen. Als er erschien, küßte er die Erde vor seinem Vater und blieb stehen. Sein Vater sagte zu ihm: »Mein Sohn! ich habe dich zu dieser Stunde vor dieser großen Versammlung hierher rufen lassen, um wegen deiner Vermählung mit dir zu sprechen, denn ich möchte, daß du heiratest und ich vor meinem Tode noch an deiner Familie meine Freude habe. Vielleicht schenkt dir Gott einen Knaben, wodurch unser Andenken erhalten und unser Reich bei unserem Geschlechte bleibt. Ich habe schon zweimal deshalb mit dir gesprochen und du hast das Gespräch abgebrochen, deshalb habe ich dich jetzt hierher beschieden und ich verlange von dir eine Antwort.«
Als Kamr essaman dies hörte, geriet er vor Ärger ganz außer sich, er neigte den Kopf eine Weile zur Erde, dann antwortete er, indem er schnell den Kopf in die Höhe warf, mit jugendlicher Tollkühnheit: »Ich habe schon tausendmal erklärt, daß ich nicht heiraten wolle. Du bist eben jetzt bejahrt und altersschwach, dein Verstand hat abgenommen, darum schwatzest du Unsinn und bist kaum mehr imstande, eine Herde Schafe zu hüten.« Der Sultan fühlte sich tief verletzt durch diese Worte vor den Anwesenden. Mit königlichem Stolze schrie er jetzt seinen Sohn an, daß er vor Schrecken bebte. Hierauf ließ er ihn durch seine Waffenträger und Mameluken festnehmen und befahl ihnen, ihn in Ketten zu legen. Als sie ihn gebunden vor seinen Vater brachten, ließ er sein Haupt sinken, und seine Stirne war mit Schweiß bedeckt. Der König schmähte ihn und sagte: »Wehe dir! kann deinesgleichen mir eine solche Antwort geben? doch hat dich bis jetzt noch niemand gezüchtigt.« Er befahl dann den Mameluken, ihm die Bande abzunehmen und ihn einzusperren. Sie führten ihn in ein altes Gemach eines uralten Turms, in dessen Mitte eine römische Zisterne war. Alsbald kamen die Kammerdiener herbei, reinigten das Zimmer, brachten ein Ruhebett, eine Matratze, ein Kissen und eine Laterne und ließen dann den Prinzen allein, nur ein Diener blieb vor der Türe stehen. – Kamr essaman stand auf, wusch sich, verrichtete sein Abendgebet, und nachdem er noch einige Kapitel des Koran gelesen hatte, legte er sich nieder. Die Laterne stand zu seinen Füßen und eine Wachskerze brannte über seinem Haupte. Er schlief bis ein Dritteil der Nacht vorüber war, ohne zu ahnen, was das geheime Geschick ihm bereitete.
Sowohl das Gemach als der Turm waren nämlich seit Jahren nicht bewohnt und die römische Zisterne diente einer Fee zum Aufenthalte, einer von den Nachkömmlingen des verfluchten Iblis. Sie hieß Maimuna und war die Tochter Damerjads, eines Königs der Genien. Es war um Mitternacht, als Maimuna sich nach ihrer Gewohnheit aus dem Brunnen emporschwang. Sie war sehr verwundert, in dem Turm, in welchem sich seit vielen Jahren niemand aufgehalten hatte, Licht zu erblicken, und da das Licht von dem Gemache herkam, schwebte sie hinein. Sie fand zu ihrem Erstaunen einen schlafenden Diener, und ein Ruhebett, auf welchem ein junger Mann schlief. Da senkte sie ihre Flügel, näherte sich ihm und hob die Decke ein wenig auf und erblickte einen Jüngling, dessen Antlitz heller strahlte, als die Flamme des Lichts neben seinem Bette. Sie war ganz betroffen über diese Fülle von Schönheit, Anmut und reizender Körperbildung und sprach zu sich selber, nachdem sie im stillen den Schöpfer gepriesen: Bei Gott, ich will ihm nichts zuleide tun! Ein solches Gesicht verdient vor jedem Unheil bewahrt zu werden. Allein ich begreife nicht, welchen Anlaß er gegeben haben kann, daß er von seinen Leuten nach diesem verlassenen Orte gebracht worden ist. Nachdem sie sich dann zu
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