Tausendundeine Nacht - Erwachsene Märchen aus 1001 Nacht
Ebenmaß seiner Glieder, doch höre, wie ich ihn näher beschreibe.« Dann neigte sie sich über Kamr essaman hin, küßte ihn zwischen die Augen und sprach folgende Verse:
»Was liegt daran, wenn mir auch deinetwegen die Freunde zürnen? Wo fände Trost, wer deine biegsame Gestalt gesehen?«
»Das schwerste Mißgeschick kann mich nicht verderben, wenn der Wein deiner Lippen mich erquickt.«
»Dein Auge verschönert sich, so oft man es ansieht; die treueste Geliebte kann sich nicht mehr von ihm abwenden.«
»O du, der du meiner Sehnsucht dich entwindest, darf man so dem Versprechen der Liebe zuwiderhandeln?«
»Die schwerste Liebespein bürdest du mir auf, während ich zu schwach und unmächtig bin, mein Gewand zu tragen.«
»Du lässest mich so lange weinen, bis man fragt: Fließen ihr nicht blutige Tränen aus der Nase?«
»Wäre mein Herz so hart wie das deine, so wäre mein Körper nicht so geschwunden, daß er jetzt deiner Taille gleicht.«
»Weh’ über den Anblick eines Mondes, dessen Schönheit und Anmut von allen Menschen gepriesen wird.«
»Weh’ über dein hartes Herz! Lernte es doch Biegsamkeit von deinem Wuchse, so würd’ es sich zärtlich mir zuneigen.«
»O mein Gebieter! Du hast über deine Schönheit einen Aufseher, der mir Unrecht tut, und einen Wächter, der grausam gegen mich ist.« 1
»Wer da sagte, die Schönheit sei in Joseph vereint, der hat nicht wahr gesprochen: wie manchen Joseph enthält deine Schönheit.«
»Schwarz ist das Haar, leuchtend die Stirne, das Auge ist das einer Huri, und schlank ist der Wuchs.«
Als Maimuna schwieg, schüttelte Dahnesch lachend den Kopf und sagte: »Bei Gott, Herrin, deine Beschreibung ist schön! Darauf verstehe ich mich nicht so gut wie du. Doch will ich versuchen, was in meinen Kräften steht.« Damit stellte er sich vor das Mädchen und sprach:
»Sie tadeln mich, weil ich die Schönheit liebe; aber wie ungerecht ist ihr Urteil!«
»Ihr Wuchs ist schlank wie der Zweig des Baumes Irak und biegsam wie der des Ban.«
»Erfreue deinen Geliebten durch deine Nähe: denn hältst du ihn noch lange fern von dir, so wird er vor Sehnsucht vergehen.«
Maimuna erteilte den Versen Dahneschs das gebührende Lob, wollte aber nun wissen, welcher von den beiden Personen der Preis der Schönheit zukommen solle. Dahnesch behauptete, die Prinzessin sei schöner, während Maimuna dem Prinzen den Vorzug gab. Nach langem Streit sagte Dahnesch: »Ich glaube, o Herrin, daß es dir schwer fällt, die Wahrheit einzugestehen, darum wollen wir einen Dritten entscheiden lassen und seinen Spruch anerkennen.« Maimuna willigte ein und stampfte mit dem Fuß auf den Boden. Sogleich tat sich die Erde auf, und daraus hervor stieg ein scheußlicher Geist, er war bucklig und halbblind. Seine Augen waren der Länge nach gespalten; er hatte sechs Hörner am Kopfe, und vier Haarbüschel hingen ihm bis zu den Füßen hinunter. Seine Hände waren wie die eines Kutrub 2 und seine Füße wie die eines Wehrwolfs, mit Nägeln, gleich den Klauen des Löwen. Sobald er herauf war und Maimuna erblickte, so warf er sich ihr zu Füßen, küßte den Boden, legte die Hände hinter den Rücken und fragte, was seine Gebieterin zu befehlen habe. »Kaschkasch« (so hieß der Geist), sagte sie zu ihm, »ich rief dich, um einen Streit zu entscheiden, den ich mit diesem verfluchten Dahnesch habe. Wirf deinen Blick auf das Bett und sage uns, wer dir schöner dünkt, der Jüngling oder die Jungfrau?« Kaschkasch betrachtete den Prinzen und die Prinzessin, wie sie, in Schlaf versunken, neben einander lagen, unbewußt sich umarmend und an Schönheit und Liebreiz gleich, wie der Dichter sagt:
»Halte fest an dem Gegenstand deiner Liebe und laß dich durch das Gerede des Neides nicht irren: die Tadler führen zu nichts in der Liebe.«
»Gott hat nichts Schöneres geschaffen, als ein liebendes Paar auf einem Lager, das, eins durch das andre beglückt, mit dem Ausdruck innigster Zufriedenheit im Antlitz sich fest umarmt hält.«
»Ist einmal ein Herz mit der Liebe vertraut, so mag lange die Welt auf kaltes Eisen schlagen.«
»O du, der du Liebende der Liebe wegen tadelst, bist du wohl imstande, ein krankes Herz zu heilen?«
»Und begegnet dir in deinem Leben ein heiterer Tag, so sei zufrieden und lebe von diesem einen!«
Nachdem der Geist beide eine Weile betrachtet hatte, sagte er zu Maimuna: »Herrin! Keiner von beiden verdient den Vorzug, es ist einer schöner als der andre, aber es gibt ein
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