Taylor Jackson 01 - Poesie des Todes
nichts passierte. Sie saß allein in ihrer leeren Küche, trank einen Tee und versuchte ihr gebrochenes Herz zusammenzuhalten. Seit Tagen schon konnte sie ihren Bruder nicht erreichen, und sie hatte auch noch keine Pläne für die Beerdigung ihrer Schwester machen können. Die Kinder waren zum Spielen bei Freunden. Sie konnte sich kaum daran erinnern, es ihnen erlaubt zu haben, aber da war diese kurz angebundene Nachricht von Gabrielle, die besagte, dass die Kinder bei Nachbarn in der Straße zum Spielen waren. Das große Haus war still und düster, und sie hatte das Gefühl, langsam den Verstand zu verlieren.
Sie wusste, dass Jake auf gar keinen Fall all diese Mädchen umgebracht hatte. Jake mochte vieles sein, ein Feigling, ein Fremdgeher, ein schlechter Ehemann, ja, all das war er. Aber er war kein Mörder! Und als John Baldwin vom FBI angerufen hatte, um zu fragen, ob er vorbeikommen und sich mit ihr unterhalten könne, hatte sie nur zu gerne zugestimmt. Er wollte noch ein paar Details über Jake klären, für die er bisher noch keine Bestätigung erhalten hatte. Vielleicht war sie nur einsam und brauchte jemanden, der bei ihr saß, ihre Hand hielt und ihr sagte, dass er sie verstand.
Sie ging hinüber ins Büro, den einzigen Raum im Haus, von dem sie das Gefühl hatte, ihn ihr Eigen zu nennen. Vielleicht würde ein Buch sie ja aufheitern? Sie betrat das Zimmer und atmete tief ein. Dann zuckte sie zusammen und stieß einen erschrockenen Schrei aus. In der Mitte des Raumes stand Reese, ihr kleiner Bruder. Er sah sie nur aus unergründlich traurigen Augen an.
“Mein Gott, Reese, du hast mich zu Tode erschreckt. Wann hast du dich hineingeschlichen? Ich habe nicht einmal die Türglocke gehört. Oh, es tut so gut, dich zu sehen. Wann bist du zurückgekommen?”
Sie ging zu ihm und zog ihn in eine Umarmung. Reese war groß; wie Jake erreichte er ohne Schuhe beinahe einen Meter fünfundneunzig. Er hatte schwarzes, lockiges Haar, das Lächeln eines Ganoven, dunkelblaue Augen und ein Grübchen im Kinn. Sein Kiefer war breit, die Nase wie gemeißelt, und Quinn konnte nicht anders, als ihn bewundernd anzustarren. Er sah einfach so gut aus. Und so unglaublich jung. Einen kurzen Moment lang erfüllte sie Stolz, dann schüttelte sie das Gefühl ab.
“Süßer, ich versuche seit Tagen dich anzurufen, aber habe dich nie erreicht.”
“Es tut mir leid, Quinn. Ich hatte doch gesagt, dass wir von der Außenwelt abgeschnitten sind. Es war erstaunlich. Wirklich erstaunlich. Ich habe so viel gelernt. Ich bin letzte Nacht angekommen und habe heute Morgen deine Nachricht auf meinem Anrufbeantworter gehört. Warum hast du versucht, mich zu erreichen?”
Quinn wusste nicht, wie sie das Thema anschneiden sollte. Sie wusste, dass Whitney und Reese sich in keinster Weise nahegestanden hatten. Aber sie waren verwandt, und das musste doch auch etwas bedeuten. Sie nahm seine Hand und führte ihn zu der nächsten Sitzgelegenheit, einem riesigen Schaukelstuhl aus Leder, der mit bronzenen Nieten verziert war. Sie drückte ihn sanft hinunter und setzte sich selbst auf die samtene Ottomane ihm gegenüber. Dann nahm sie auch seine andere Hand und sah ihm direkt in seine wunderschönen Augen.
“Süßer, Whitney hatte einen Unfall. Sie hat ihn nicht überlebt. Es ist passiert, als sie, nun ja, auf dem Weg hierher, zu mir war. Ich wusste nicht, ob irgendjemand anders zu eurem Team durchgedrungen war, ob jemand von u Hause einem der Ärzte etwas erzählt hatte. Ich wollte es dir persönlich sagen.”
Reese zeigte keinerlei Reaktion, und Quinn wurde das Herz schwer. Er konnte sie doch nicht so sehr hassen. Reese schaute sie an, seine Augen blickten aufgewühlt.
Quinn drückte seine Hände. “Ich weiß, Honey, ich weiß. Es ist schrecklich. Aber da ist noch mehr. Die Polizei hat Whitneys Laptop mitgenommen. Offensichtlich ist sie wie auch immer mit diesem fürchterlichen Mann verbunden, der Mädchen im gesamten Südosten getötet hat. Ich weiß nicht, ob du davon etwas gehört hast, obwohl darüber in den landesweiten Nachrichten und Zeitungen berichtet wurde. Ich dachte, vielleicht hättest du etwas davon mitbekommen. Reese? Reese?”
Reese starrte vor sich hin, ohne zu blinzeln, sein Gesicht hatte alle Farbe verloren. Eine einzelne Träne bildete sich in seinem Augenwinkel und rann langsam und von ihm unbeachtet über seine Wange. Er schüttelte ungläubig den Kopf. Quinn plapperte weiter, versuchte, die unangenehme Stille zu
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