Taylor Jackson 01 - Poesie des Todes
besetzt hatten, ging sie zur Tür. Ein älterer Herr, der ein Tablett mit Kaffeetassen balancierte, hielt ihr netterweise die Tür mit seiner Hüfte auf. Sofort brach ihre Südstaatenerziehung durch, und sie schenkte ihm ihr schönstes Lächeln, als sie an ihm vorbeiging. Er grinste ein wenig schief zurück. Mit ihrem Hundertwattlächeln konnte Taylor den stärksten Mann in die Knie zwingen. Sie erblickte Sam in einer gemütlichen Ecke mit Polstersesseln und einem kleinen Tisch, der sich unter Getränken, Zimtrollen, einem Stück geeisten Zitronenkuchen und einem einsamen Kleie-Muffin bog. Taylor unterdrückte ein Lachen. Sams Schwangerschaft übernahm langsam die Kontrolle, und sie aß alles an Süßem, dessen sie habhaft werden konnte.
“Das ist sie, die Frau, die jeder Mann haben und jede Frau sein will. Setz dich, bevor dein Latte kalt wird, Mädchen.”
“Heute wünsche ich keinem, ich zu sein. Ich fühle mich fürchterlich.”
“Ja, du siehst auch ein bisschen fertig aus. Aber ’ne coole Sonnenbrille.”
Taylor beugte sich vor und umarmte Sam. Im Gesicht ihrer Freundin suchte sie sodann nach Spuren, ob gestern noch etwas vorgefallen war, an das sie sich nicht mehr erinnern konnte. Sam schien jedoch nicht beunruhigt, also entspannte sich Taylor und ließ sich dankbar in den dick gepolsterten grünen Samtsessel sinken.
Als sie nach ihrem Latte Macchiato griff, hörte sie die Sirenen. Sie wurden von Minute zu Minute lauter, und sie schalt sich dafür, sich zu fragen, ob das bedeutete, dass sie gleich an einen Tatort gerufen würde.
“Hörst du das? Ich hoffe, es ist nichts Schlimmes.”
“Ja. Sehr wahrscheinlich hat eine Hausfrau aus Belle Meade einen Nietnagel.” Sie beide lachten. Es war aber auch zu einfach, sich über Nashvilles Elite-Gemeinde lustig zu machen, so zu tun, als würden sie nicht auch aus genau dieser Enklave von Nashvilles Gesellschaft stammen. Als sie sich wieder beruhigt hatten, bemerkte Taylor, dass Sam beinahe vor Neuigkeiten platzte. Und sie wusste auch gleich, worum es ging.
“Ich bin heute Morgen beim Ultraschall gewesen.”
“Oh, konnten sie sehen, was es wird?” Sams Begeisterung war ansteckend. Sie hatten fieberhaft auf die Ultraschalluntersuchung gewartet, um endlich das Geschlecht ihres Kindes zu erfahren. Simon hatte es nicht wissen wollen, aber Sams konstantes Betteln hatte ihn schlussendlich überstimmt.
“Nun ja, sozusagen. Es besteht eine fünfzig-fünfzig Chance, dass wir ein Mädchen bekommen.” Auf Taylors Gesicht breitete sich ein Grinsen aus. Sofort fragte sie sich, ob es wohl auch so ein Wildfang wie seine Mutter werden würde. Beinahe hätte sie Sams nächsten Satz verpasst.
“Und außerdem stehen die Chancen gut, dass wir zusätzlich noch einen Jungen kriegen.”
Taylor erstarrte für einen Moment, ließ die Worte sacken. “Zwillinge? Zwillinge! Oh mein Gott, Sam, du willst wirklich keine Zeit verlieren, oder? Die Fertigfamilie! Simon stirbt doch bestimmt.”
“Das tut er, aber er ist superglücklich. Er sagt, jetzt können wir wenigstens aufhören, uns über den perfekten Namen Gedanken zu machen. Wir nennen sie Eins und Zwei, und fertig. Ich hab gesagt, das klingt, als würde man Petrischalen benennen, aber er hat nur gelacht.” Simon Loughley gehörte ein forensisches Labor in der Stadt. Private Match. Und genau das war es: privat und sehr diskret. Und sehr teuer. Metro Nashville hatte in der Vergangenheit schon bei schwierigen Fällen oder wenn es aus anderen Gründen angebracht war auf seine Dienstleistungen zurückgegriffen.
Zu Taylors Amüsement plapperte Sam in einem fort. Sie wusste, dass Sam immer hatte Mutter werden wollen, und sie freute sich, dass sie nun gleich zwei Kinder auf einmal bekam. Es war noch zu früh, um das Geschlecht zu bestimmen, aber der zweite Herzschlag war außergewöhnlich kräftig gewesen, sodass es keinen Zweifel an der Zwillingsnummer gab. Taylor konnte allerdings auch die Furcht in Sams Augen sehen. Sich um zwei Neugeborene kümmern zu müssen war eine ganz andere Herausforderung, als nur ein Baby zu haben. Aber sie wusste, dass Sam eine großartige Mutter sein würde. Sie fragte sich kurz, ob das bei ihr auch so wäre, schob den Gedanken dann aber energisch beiseite.
“… Also habe ich dem Arzt gesagt, geschieht mir ganz recht, nachdem ich jahrelang verhütet habe. Als die Eier merkten, dass sie nun endlich rauskommen können, haben sie sich alle am Eingang gedrängelt. Es ist verrückt, aber ich kann
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