Taylor Jackson 02 - Der Schneewittchenmörder
selber ein, startete den Motor und stellte die Heizung an. Taylor war noch dabei, Baldwins Blazer auszuziehen, als Baldwin selber auch schon auf die Rückbank schlüpfte. Kurz darauf waren sie auf dem Weg in die Stadt.
Sie fuhren direkt ins CJC. Fitz sprach mehr über alles und jedes als über irgendetwas etwas Wichtiges. Weder zur Ballistik in den Fällen Richardson und Gonzalez noch zum Aufenthaltsort von Jane Macias gab es etwas Neues. Nur auf hartnäckige Nachfrage erzählte er ihr von den ausführlichen Such- und Bergungsarbeiten nach ihrem Verschwinden, und Taylor schwor, den Namen jeder einzelnen Person herauszufinden, die auf der Suche nach ihr die Nacht und den Tag an dem eiskalten Fluss verbracht hatte. Für ihre Mühen würde sie sich persönlich bedanken. Der Gedanke machte sie sprachlos. Baldwin hatte nicht viel gesagt, außer dass er nicht hatte glauben können, dass sie fort sei, und sich geweigert hatte, die Suche nach ihr aufzugeben. Fitz hingegen nannte ihr alle Einzelheiten, und sie spürte die Tränen in den Augenwinkeln, als sie an den Schmerz dachte, den sie allen verursacht hatte.
Die zweite Hälfte des Fluges war Baldwin sehr still gewesen, und bei der Landung hatte er abgelenkt gewirkt, sodass Taylor ihn sich selbst überlassen hatte. Sie hatte die Zeit genutzt, um ihr Gehirn nach dem Namen des Mannes mit dem Siegelring zu durchforsten. Aber er wollte ihr einfach nicht einfallen. Sie brauchte die Bibliothek, die Gesellschaftsseiten ihrer Kindheit. Damals waren eine Menge Fotografen auf der Feier gewesen. Die Presse von Nashville war auf den Abendgesellschaften ihrer Eltern immer anwesend. In der Bibliothek würde sie den dreißig Jahre alten Societyklatsch bestimmt noch finden. Sie hasste es, Zeit darauf zu verschwenden, aber sie hatte keine andere Wahl.
Am CJC hatte sich ein regelrechtes Begrüßungskomitee eingefunden. Lincoln und Marcus standen in ihre Mäntel gehüllt auf der obersten Treppenstufe und hüpften auf der Stelle, um sich warm zu halten. Captain Price stand direkt hinter der Tür und wartete darauf, ihr einen Kuss auf die Wange zu geben.
Sie wurde mit Umarmungen begrüßt und Baldwin mit kräftigem Händeschütteln und Rückenklopfern. Lange hielten sie sich allerdings nicht mit den Feierlichkeiten auf. Schließlich mussten sie einen Mörder fassen.
Baldwin nahm Lincoln beiseite und sprach mit ihm außer Hörweite der anderen. „Ich habe eine Bitte.“
„Immer raus damit.“
„Ich würde mich gerne mit deinem südamerikanischen Freund unterhalten. Juan. Kannst du das arrangieren?“
„Natürlich. Ich rufe ihn gleich an. Soll er dich hier oder auf deinem Handy zurückrufen?“
„Handy wäre gut. Danke, Lincoln.“
„Kein Problem. Hast du …? Vergiss es. Ich ruf ihn jetzt an.“
Baldwin ging zurück in Taylors Büro, schloss die Tür hinter sich und ließ sich in einen Stuhl fallen.
„Ich habe eine Theorie“, fing er an, aber da klingelte ihr Telefon. Entschuldigend hob sie eine Hand und nahm den Anruf entgegen.
„Taylor? Kleines, bist du das?“
Die Stimme wieder. Dieses Mal tiefer, voller. Keine Aufzeichnung. Taylor versuchte, nichts zu sagen, aber das Wort entschlüpfte ihr doch. „Daddy?“
„Ja, Taylor, ich bin’s, Daddy. Win.“ Er flüsterte: „Du hast mir das Leben in den letzten Tagen ein bisschen schwer gemacht, Süße.“
„Nenn mich nicht so. Ich bin nicht deine Süße.“
„Taylor, hör mir zu. Du musst Mr. Delglisis …“
Leise drückte sie den Knopf für den Lautsprecher. Baldwin beugte sich vor, um zuzuhören. „… Anweisungen folgen. Sorg einfach dafür, dass die Massagesalons verschwinden. Taylor, das tut mir alles so leid. Ich versuche, es wiedergutzumachen. Ich weiß, dass ich es vermasselt habe, aber ich …“
Ihr Blut fing an zu kochen. Das vertraute Gefühl, es nicht fassen zu können, kroch in ihr hoch. Ihr Vater war nicht tot. Er lebte, arbeitete für einen verdammten Gangsterboss und wollte, dass sie die Augen vor seinen illegalen Aktivitäten verschloss. Absolut niemals nicht.
„Stopp. Halt einfach den Mund. Was glaubst du, wer ich bin, Dad? Du scheinst zu vergessen, dass ich eine vereidigte Polizeibeamtin bin. Ich arbeite für die guten Jungs, Win, nicht für die bösen. Nicht für deinesgleichen.“
„Taylor, hör schon auf. Du hast keine Ahnung, in was für einer Situation wir uns befinden. Du musst mit ihm kooperieren, Taylor. Wenn nicht, dann …“
„Dann was, Win? Mit was kannst du mir dieses Mal
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