Taylor Jackson 03 - Judasmord
Staatsgefängnis von Tennessee vorbeifuhr, in dem Robert Redfords Film „Die letzte Festung“ gedreht worden war und das ein Doppelgänger von Johnny Cashs berühmtem Folsom State Prison gewesen sein könnte. Die Gebäude lagen verlassen da und verfielen langsam, waren nur noch Heimat für Geister und Ratten. Sie versuchte, nicht an ihren Vater zu denken, der einmal für kurze Zeit Insasse der sechs Meter hohen und einen Meter dicken, mit Zinnen bewehrten Mauern gewesen war.
Das jetzige Gefängnis befand sich in Riverbend. Es war ein Hochsicherheitsgefängnis, das entsprechend ausgerüstet war, um das Leben derer zu beenden, deren Schicksal es war, durch die Hand des Staates zu sterben. Sie war bereits einmal in den Todeszellen von Riverbend mit den blauen Türen und cremefarbenen Betonwänden gewesen, und sie wollte nie mehr dorthin zurückkehren. Das überwältigende Gefühl von Bosheit, gemischt mit Verzweiflung, war zu viel für sie gewesen. Sie hatte mehr als einen der Männer, die dort untergebracht waren, in die Todeszelle gebracht und ihretwegen keine schlaflosen Nächte gehabt. Aber die letzten Stunden dieser Inhaftierten wollte sie nicht als Augenzeugin miterleben.
Die Zelle ihres Dads war sehr viel kuscheliger als in einem Staatsgefängnis. Zu ihren Wirtschaftskriminellen war das FBI sehr zuvorkommend.
Taylor erreichte die Gabelung der Interstate 24 und fuhr noch ein paar Meilen weiter bis zur Ausfahrt Dickerson Ramp. Hier bog sie vom Highway ab und fuhr durch die heruntergekommenen Straßen eines traurigen Teils der Stadt. Eine Crackhure schlenderte mit wild schwingenden Armen vorbei, ein schüchterner schwarzer Mann Mitte vierzig folgte gute zehn Meter dahinter. Waren sie sich bereits einig geworden? Es schien ganz so, denn die Augen der Prostituierten hatten dieses eindringliche Leuchten eines Fixers, der wusste, dass er bald seinen nächsten Schuss bekam.
Taylor schüttelte den Kopf. Es schien keine legalen Maßnahmen zu geben, die das immer weiter um sich greifende Rotlichtmilieu in den hinteren Gassen Nashvilles aufhalten konnte. Für die Profis bedeutete eine Nacht im Gefängnis entweder Sicherheit oder Entzug, beides kein Anreiz, aus diesem Leben auszusteigen. Und für die Freierwar es einfach nur peinlich.
Sie bog auf die Grass ab und ließ das Tennessee Bureau of Investigation rechts liegen. Die Einsatztruppe des TBI wäre sehr wütend, wenn sie wüsste, dass Lincoln die Regeln gebrochen hatte. Auch wenn er damit nur sein Leben gerettet hatte, würden sie ihn bestrafen. Auf jeden Fall würden sie ihn aus dem Team werfen. Sie fragte sich, ob sie den Vorfall irgendwie geheim halten könnte. Dann schob sie den Gedanken beiseite. Sie war eine Meisterin darin, ihre Probleme nicht miteinander zu vermischen und sich stets nur einem schwierigen Thema zu widmen. Sie wüsste nicht, wie sie anders durch den Tag kommen sollte.
Zu ihrer rechten Seite tauchte das Gebäude der Rechtsmedizin auf, so glänzend wie ein frischer Penny in der Morgensonne. Taylor parkte auf dem Besucherparkplatz. Dann zog sie sich die Stiefel an, verstaute ihre Sonnenbrille in dem dazugehörigen Etui, schnappte sich ihren Pullover und trat hinaus in die erfrischende Morgenluft. Hartriegelwinter hatte ihre Mutter diese ersten kühlen Frühlingstage immer genannt. Sobald die Bäume anfingen, Knospen zu zeigen, konnte man darauf wetten, dass Nashville noch einmal von einer kurzen Frostperiode eingeholt wurde, in der die zarten Blüten erfroren. Nur die gesundesten und widerstandsfähigsten Bäume und Sträucher überlebten, der Rest fiel zurück in einen noch mindestens einen Monat dauernden Winterschlaf.
Die Beete an der Vorderseite des Gebäudes der Rechtsmedizin waren mit Forsythien und Azaleen bepflanzt. Den Forsythien schien die Kälte nichts auszumachen, sie blühten um die Wette und streckten ihre dicken gelben Blüten dem kühlen Sonnenlicht entgegen. Ein Anblick, der Taylor lächeln ließ. Diese gewisse Aufmüpfigkeit der Büsche hob jedes Mal ihre Laune. Sie hasste es, wenn die Menschen sie in Kugelform oder eckig zurechtschnitten, weil sie fand, dass das ihre wilde Persönlichkeit tötete. Es war eine Schande, dass ihre Blütezeit schon bald wieder vorbei war. Sie wünschte, sie würden den ganzen Sommer über blühen.
Taylor zog ihre Karte durch den dafür vorgesehenen Schlitz und betrat dann die kühlen Büros der Rechtsmediziner. Jemand, vermutlich die Rezeptionistin Kris, hatte eine nach Lavendel duftende Kerze
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