Taylor Jackson 03 - Judasmord
Nachdem die Nägel geschnitten und eingesammelt waren, fingen sie mit der mühseligen Arbeit an, die Leiche auszuziehen und zu waschen. Zwanzig Minuten später konnte Sam fortfahren. Corinne lag nun nackt da und wirkte noch verletzlicher als zuvor. Sie tat Taylor leid. Wen hatte sie so in Rage gebracht? Sams Stimme holte sie in die Gegenwart zurück.
„Der Körper ist dem Alter und der Herkunft des Opfers gemäß angemessen versorgt.“
Sam führte nun eine genauere Untersuchung der Wunden an Corinnes Kopf und Oberkörper durch. Stumpfe Gewalteinwirkung eins. Stumpfe Gewalteinwirkung zwei. Stumpfe Gewalteinwirkung drei. Herausgeschlagene Zähne, Abschürfungen, Platzwunden, blaue Flecken, Bruch des Unterkiefers. Weil es sich um so viele Wunden handelte, fing Sam an, die kleineren Schnitte in Gruppen zusammenzufassen. Bei Nummer acht blendete Taylor Sams Stimme aus.
Wut. Pure, ungezügelte Wut. Wer auch immer den Mord an Corinne Wolff zu verantworten hatte, war unglaublich wütend auf sie gewesen. Ungebeten stieg das Gesicht von Todd Wolff in ihrem Kopf auf. Seine Augen rotgerändert und gefüllt mit Tränen, die bald über seine Wangen laufen würden. Er hatte es in Rekordzeit von Savannah nach Hause geschafft. Die Fahrt müsste mindestens acht Stunden dauern; er hatte nur sechs gebraucht. Vielleicht log er doch. Aber konnte er wirklich so gefühllos sein und seine Tochter hungrig und schmutzig durch das Blut ihrer Mutter krabbelnd zurücklassen? Seinen eigenen Sohn töten? Dafür müsste er schon wirklich ein unglaublich herzloser Mistkerl sein.
Sam war sehr effizient. Während Taylor über Verdächtige und Motive sinnierte, hatte sie schon mit der inneren Untersuchung begonnen, alle Organe gewogen und kategorisiert und den Fötus entfernt. Jetzt setzte sie gerade die Säge an Corinnes Kopf an. Das hohe Kreischen jagte Taylor einen Schauer über den Rücken. Sie hasste dieses Geräusch, genauso wie sie es hasste, wenn jemand mit den Fingernägeln über eine Tafel kratzte oder Alufolie Kontakt mit einer Zahnfüllung bekam. Dann war es auch schon vorbei, und Sam sagte ruhig in ihr Mikrofon: „Der Schädel ist geöffnet und zeigt ausgedehnte subarachnoidale Blutungen des Gehirns, beidseitig und am ausgeprägtesten am Hirnstamm. Das Gehirn …“ Eine kleine Pause, ein mahlendes Geräusch, dann fuhr sie fort: „Das Gehirn ist entfernt worden und enthüllt eine lineare Schädelfraktur, die den Großteil des Hinterkopfes einnimmt …“
Es bestand kein Zweifel daran, dass Corinne der Schädel eingeschlagen worden war. Taylors Handy klingelte, und sie entschuldigte sich kurz, erleichtert, sich einen Teil der weiteren Prozedur ersparen zu können. Gerade an der Untersuchung des Fötus würde sienur ungern teilnehmen.
Als sie sich wegdrehte, hörte sie Sam sagen: „Oh Mann.“
Taylor drückte den Knopf, der den Anruf direkt auf ihre Mailbox weiterschaltete, und ging zurück an den Untersuchungstisch.
„Was ist?“
„Sie wurde erwürgt.“
„Willst du mir etwa sagen, dass der Schädelbruch nicht die Todesursache war?“
Sam erwiderte Taylors Blick. „Nein, ich bin mir ziemlich sicher, dass die Schläge sie schlussendlich umgebracht haben. Aber hier um ihren Hals sind feine Würgemale zu sehen. Wenn ich raten müsste, würde ich sagen, der Mörder hat erst versucht, sie zu erwürgen, doch das ging ihm nicht schnell genug. Es ist schwerer, als man denkt, jemanden mit bloßen Händen zu erwürgen. Wenn Corinne sich gewehrt hat, und es sieht ganz danach aus, war es schwer, den Griff beizubehalten. Sie war in guter körperlicher Verfassung, trotz der fortgeschrittenen Schwangerschaft. Sie hat sich bestimmt nicht kampflos ergeben.“
„Also hat der Mörder die Kontrolle über die Situation verloren und sie lieber erschlagen?“
„Genau. Er schnappt sich den erstbesten Gegenstand und fängt an, drauflos zu hauen. Durch die Knoten, mit denen die Saiten am Rand befestigt sind, hinterlässt der Tennisschläger ein markantes Muster. Die Kanten könnten problemlos diese offenen Platzwunden verursacht haben. Ich denke, der Mörder stand über dem Opfer und hat wieder und wieder nach unten hin zugeschlagen.“ Sam fing an, alles zusammenzupacken, schloss Deckel auf kleinen Boxen, faltete die Briefumschläge zusammen und reichte Stuart sezierte Scheiben der Organe zur Analyse. „Wir schicken das, was wir unter ihren Nägeln gefunden haben, und die Blutproben ins Labor und machen so schnell wie möglich einen
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