Taylor Jackson 03 - Judasmord
toxikologischen Test. Aber es ist ziemlich eindeutig, was passiert ist.“
„Kein sexueller Hintergrund?“
Sam schüttelte den Kopf. „Keine Anzeichen von Rissen oder blauen Flecken, keine Flüssigkeiten. Ich habe einen Abstrich gemacht, nur für den Fall, auch wenn in Vagina und Anus kein Samen zu sehen war. Nichts deutet auf einen sexuell motivierten Überfall hin. Das war einfach nur ein schlichter Mord.“
Einfach und schlicht.
„Gab es Fingerabdrücke auf dem Tennisschläger oder der Leiche?“
„Der Schläger ist abgewischt worden. Wir haben ein paar verwischte Abdrücke, aber nichts, was zu gebrauchen wäre. Wir schauen noch mal an ihrem Hals, aber du weißt, wie schwer es ist, von Haut gute Fingerabdrücke zu nehmen.“
Taylor drückte den Arm ihrer besten Freundin. „Nun muss ich nur herausfinden, wer es gewesen ist, und der Fall ist gelöst.“
Sie ließ Sam im Autopsiesaal zurück und zog im Umkleideraum die Schutzkleidung aus, die sie dann in den Behälter für biologischen Abfall steckte. Dann ging sie in die Lobby zurück. Der Duft nach Lavendel hing immer noch in der Luft, doch jetzt wurde er von einem schweren, süßen Parfüm überlagert. Michelle Harris stand umgeben von ihrer Familie mitten im Eingangsbereich. Taylor fiel sofort auf, dass Todd Wolff nicht anwesend war.
Sie sprachen leise miteinander. Der Schmerz, den sie alle ausstrahlten, war beinahe mit den Händen greifbar. Man brauchte keine übersinnlichen Fähigkeiten, um zu erkennen, dass sie litten; die zusammengesackten Schultern, die dunklen Ringe unter den Augen und die roten Nasen sprachen für sich.
Was taten sie hier? Taylor zählte fünf von ihnen: die Eltern, Michelle, ihre Schwester Nicole und Bruder Derek. Sie standen eng beisammen, als suchten sie die Wärme der anderen. Taylor hatte das schon oft gesehen. Einige Familien wurden von Tragödien auseinandergerissen, andere wuchsen noch enger zusammen und halfen einander, alles zu verarbeiten. Die Harris’ schienen eindeutig zu Letzteren zu gehören.
Taylor war unsicher, was sie tun sollte. Nervös zupfte sie an ihrem Zopf, bis er sich auflöste und ihre Haare in Wellen auf ihre Schultern fielen. Genervt fasste Taylor sie wieder zu einem Zopf zusammen. Große Familien erfüllten sie immer mit einem Gefühl der Entwurzelung, der Sehnsucht. Sie würde nie wissen, wie es war, die Unterstützung von Geschwistern zu haben. Sam war zwar wie eine Schwester für sie, aber das war etwas anderes. Sie teilten nicht das gleiche Blut, trotz ihres abgebrochenen Versuchs, eine indianische Blutsbrüderschaft einzugehen, als sie beide zehn Jahre alt gewesen waren. Obwohl es ihnen damals so wichtig gewesen war, hatte keine von ihnen den Mut gehabt, tief genug zu schneiden, um das Blut in ihren Händenzum Fließen zu bringen. Und überhaupt, Blutsschwestern zu sein war nicht das Gleiche.
Sie wollte sich gerade räuspern, da bemerkte Michelle sie. Die Gruppe hörte auf zu sprechen und schaute Taylor nur aus unvorstellbar traurigen Augen an.
„Lieutenant“, sagte Michelle. Der Rest der Familie murmelte ein ‚Guten Morgen‘.
Taylor nickte ihnen zu. „Was kann ich für Sie tun?“
Es war Corinnes Mutter, die antwortete: „Wir sind nur wegen Corinne hier. Ist es …“ Sie stellte sich etwas gerade hin. „Ist es vorbei?“
Taylor nickte. „Dr. Loughley ist noch bei ihr, doch die Autopsie ist zu Ende. Ich kann mit Ihnen allerdings nicht über die Ergebnisse sprechen, das wissen Sie.“
„Ja, wissen wir. Wir wollten nur für sie da sein. Es ist sehr schwer für uns.“ Sie schluchzte auf, brach aber nicht zusammen. Dafür mochte Taylor sie ein bisschen. „Es ist schwer, zulassen zu müssen, dass sein Kind einer so eingreifenden Prozedur unterzogen wird. Falls Corinnes Seele hier irgendwo in der Nähe ist, weiß sie, dass wir für sie da sind.“
„Todd wollte nicht kommen?“
Mr Harris stieß ein abfälliges Geräusch aus. „Todd hat Hayden heute Morgen zu seinen Eltern gebracht. Er ist nicht mal auf einen Kaffee geblieben, sondern hat sie einfach geschnappt und ist wieder gefahren. Ihm ist Corinne egal. Er interessiert sich nur für sich.“
„Das ist nicht fair, Daddy.“ Michelle ging zu ihrem Vater und berührte seinen Arm. „Todd weiß, dass du und Mom zu traurig seid, um euch um Hayden zu kümmern. Er versucht, euch einen Gefallen zu tun.“
„Blödsinn!“ Derek Harris erhob zum ersten Mal die Stimme. Seine dichten Haare fielen ihm in die Stirn. Er wandte
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