Taylor Jackson 03 - Judasmord
Moment später klopfte Don Holmes auch schon und rüttelte dann mit einem manischen Grinsen im Gesicht an den Fensterläden. Im Gegensatz zu ihr schien Don ein wahrer Morgenmensch zu sein. Sie öffnete die Tür und wappnete sich gegen die Wortflut, die, wie sie wusste, jetzt folgen würde.
„Guten Morgen, Don. Wie geht es dir?“
„Gut, Taylor. Ein wunderschöner Morgen, findest du nicht? Ich wollte dir nur sagen, dass du ein totes Kaninchen im Garten gehabt hast, um das ich mich gekümmert habe. Jemand hatte es getötet und dann einen Blumentopf darüber gestülpt. Verrückt. Die Hunde haben es endlos angebellt, also habe ich alles weggeräumt und den Kadaver weggeschmissen. Wusstest du, dass das Kaninchen einen Draht um den Hals hatte? Was meinst du, wie das passiert ist? Vielleicht Kinder, die im Wald gespielt haben. Wie auch immer, ich wollte es dich nur wissen lassen. Ich bin ein wenig in Eile, muss zur Arbeit. Ich wünsch dir einen schönen Tag!“
Und weg war er. Ihre Nachbarn waren sehr nett, aber manchmal auch ein wenig verrückt. Aber das erklärte wenigstens, was passiert war. Und forensische Spuren auf einem Kaninchenkadaver zu finden war eh ein wenig weit hergeholt. Zumindest wusste sie jetzt, dass sie sich das alles nicht nur eingebildet hatte.
Sie ging nach oben, um zu duschen. Danach schlüpfte sie in Jeans, Cowboystiefel und ein schwarzes T-Shirt und ging zurück in dieKüche. Nachdem sie Tee aufgesetzt hatte, befestigte sie ihre Waffe an ihrem Gürtel. Don war bestimmt schon weg, sodass sie es wagen konnte, ihren Tee auf der Veranda zu trinken. Sie nahm das Telefon mit. Sie musste wissen, was bei Baldwin los gewesen war, während sie tief und fest geschlafen hatte. Und sie wollte den Streit zwischen ihnen bereinigen.
Don fuhr gerade aus der Garage. Sie winkte ihm aus ihrem Lieblingsstuhl zu. Jetzt hatte sie alle Privatsphäre, die sie brauchte.
Baldwin ging nach dem ersten Klingeln ran.
„Guten Morgen.“ Sie wählte eine neutrale Eröffnung, weil sie nicht sicher war, wie es zwischen ihnen stand.
„Hi“ war alles, was er sagte.
„Du bist doch nicht immer noch sauer auf mich, oder?“
„Wer sagt, dass ich sauer bin?“
„Du klingst so. Ich möchte dich daran erinnern, dass ich mir die ganze Sache nicht ausgesucht habe.“
Sie hörte ihn seufzen. „Waffenstillstand, okay? Ich habe falsch reagiert. Ich wollte zu deiner Hilfe eilen und konnte es nicht. Und ich bin es nicht gewohnt, deine schnippische Seite zu hören.“
Darüber dachte sie einen Moment lang nach. Er hatte ihr zu Hilfe kommen wollen. Er hatte recht, sie war zickig gewesen. Aber sie fand immer noch, dass sie das Recht dazu gehabt hatte.
„Okay. Es tut mir leid. Ich hätte dich nicht anschreien dürfen.“
„Und nicht einfach auflegen. Tut dir das auch leid?“
Sie wand sich. Reue zu zeigen lag ihr überhaupt nicht. „Ja. Das war kindisch. Okay?“
Er schwieg eine Sekunde, und sie wusste, dass er ihr vergeben hatte. „Okay. Warum klingst du überhaupt so fröhlich?“
„Du wirst es nicht glauben. Ich bin gerade eben erst aufgewacht. Gestern Abend bin ich einfach auf der Couch ins Koma gefallen. Abgesehen von dieser Videogeschichte geht es mir großartig.“
„Vielleicht sollten wir doch mal Schlaftabletten kaufen, damit du öfter so ausgeruht bist.“ Er zog sie auf, und sofort besserte sich ihre Laune. Alles würde wieder gut werden.
„Don, der Dampfquassler, war hier …“ Sie verstummte. Baldwin wusste ja noch nichts von dem Kaninchen oder dem Stalker oder dem überwältigend gruseligen Gefühl, das sie seit ein paar Tagen immer wieder heimsuchte. Zeit, das Thema zu wechseln.
Sie trank einen Schluck Tee. „Und, gibt es bei dir irgendwelche Fortschritte?“
„Ja, die gibt es tatsächlich. Wir …“
Sie hörte ihm gar nicht richtig zu. Über die Verandabrüstung hinweg sah sie einen Mann am Rand des Waldes stehen, der direkt an ihr Grundstück grenzte. Ihr Herz setzte zwei Schläge aus und überflutete ihren Körper dann mit Adrenalin. Ihr Blick schärfte sich, sie konnte jedes Detail erkennen. Sie wusste sofort und ohne einen Zweifel, dass er es war. Der Mann, der das Kaninchen hinterlassen hatte, der sie nachts anrief, der sie in ihren Träumen verfolgte. Er sah, dass sie ihn anschaute, und lächelte. Dann drehte er sich um und verschwand zwischen den Bäumen.
Sie schaute hektisch nach Osten. Don war längst weg, auf dem Weg zu seiner Firma, das Garagentor hatte sich bereits hinter ihm
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