Taylor Jackson 03 - Judasmord
wichtig. Sie hatte immer schon ein Talent dafür gehabt, Schönheit an den unwahrscheinlichsten Orten zu finden. Und wenn sie ihr unerwartet begegnete, fühlte es sich wie ein Segen an.
Auf ihrer Fahrt durch Belle Meade dachte sie an Corinne Wolff. Dieser Mord würde die Aufmerksamkeit von ganz Nashville erregen. Verbrechen in den Vororten waren sowieso schon faszinierend, doch wenn es dann noch eine erneut schwangere Mutter betraf, würde die ganze Stadt einfach durchdrehen. Sie machte sich in Gedanken eine Notiz, mit Dan Franklin zu sprechen, dem Pressesprecher des Departments, damit er eine angemessene Erklärung verfasste. Wenn sie nicht gleich zu Beginn einen brauchbaren Verdächtigen präsentieren würden, könnte diese Geschichte große Kontroversen auslösen. Taylor hatte jedoch keine Lust, dass die nationalen Nachrichtensender jeden ihrer Schritte verfolgten. Das hatte ihr schon bei ihrem letzten großen Fall gereicht.
Gerüchte, Klatsch, versteckte Anspielungen. Die besten Freunde eines Mordermittlers waren die Unterströmungen, die wechselnden Allianzen, die falschen Anschuldigungen, die in den Raum geworfen wurden. Man brauchte schon ein gewisses Talent, um sich durch die ganzen Lügen zu wühlen und schließlich die Wahrheit zu finden. Taylor war normalerweise ein sehr akkurater Mensch. Doch wenn die Medien sich an einen Fall hefteten, gab es im Kampf um die Einschaltquoten kein Halten mehr, was Vermutungen und Verdächtigungen anging. Eine schöne neue Welt, würde Aldous Huxley sagen.
Sie hatte erst zweimal Ärger mit der Presse gehabt. Einmal vor einigen Jahren, das andere Mal vor nur einem Monat. Der Schneewittchenmörder, lange Zeit untätig in Nashville, hatte sich wie Phönix aus der Asche erhoben und angefangen, erneut zu morden. Die Art, wie die Medien sich in diesem Fall verhalten hatten, war ihr immer noch unangenehm. Wie leicht man sie und ihre Abteilung durch den Dreck gezogen hatte. Stets war alles hinterfragt worden, und jetzt, im Nachhinein, da wussten es natürlich alle besser. Zwei Monate später lag Taylor nachts wach im Bett und schaute sich endlose Wiederholungen des Falles in den Nachrichten an und fragte sich, ob dasInteresse jemals enden würde. Die Reporter der nationalen Nachrichten hatten in den Straßen Nashvilles kampiert wie Hippie-Bands, die über den Überresten der Trauer einer jeden Familie feierten. Das kleinste Anzeichen einer Lösung, und sie würden sofort wieder darüber herfallen.
Sie hatte keine Lust, über den Ärger der Vergangenheit nachzudenken.
Doch die Gedanken kamen schnell, wirbelten durch ihren Kopf wie ein Sommerwind. Schneewittchen. Sein selbst ernannter Thronanwärter, der Pretender, ein Mann ohne Namen und Skrupel, wenn es darum ging zu morden. Er war immer noch da draußen, verborgen in den dunkelsten Tiefen. Was sie auf Baldwin brachte.
Baldwin würde als Erstes erfahren, wenn es etwas Neues in dem immer noch sehr offenen Fall gäbe. Er hatte versprochen, sich in seiner Zeit in Quantico die Akten des FBI anzusehen.
Wenn sie ehrlich zu sich war, hoffte sie, dass er etwas Frisches, Konkretes finden würde. Etwas anderes als die flüchtigen, ihr die Haare im Nacken zu Berge stehen lassenden Gefühle, die Taylor hatte. Gefühle waren gut und schön. Sie vertraute sich selbst, traute ihren Instinkten. Ab und zu kribbelte ihre Haut, und sie spürte Blicke im Rücken. Sie nahm an, dass der Pretender ihre Ermittlungen über seinen Aufenthaltsort hinweg sehr genau verfolgte und ihr zu diesem Zweck manchmal folgte. Sie konnte es beinahe spüren, wenn er in der Nähe war. Er ließ alle Alarmsirenen anschlagen, auch wenn sie ihn nie wirklich gesehen hatte.
Sie brauchten konkrete Beweise, mussten den Namen des Killers wissen, der sich in die emotionalen Gewänder anderer Mörder kleidete. Denn bisher hatten sie nichts.
Blinkende Polizeilichter brachten sie in die Gegenwart zurück. Sie war überrascht, sich schon am Criminal Justice Center wiederzufinden. Autokoma nannte Baldwin das immer. Das passierte ihr zu oft. Sie verlor sich in Gedanken und stellte dann fest, dass sie ohne auf den Weg zu achten zu ihrem Ziel gefahren war. Sie war zu stark abgelenkt. Sie musste sich besser konzentrieren. Nach ihrem Urlaub war es umso wichtiger geworden, dass sie sich wieder voll und ganz auf das Hier und Jetzt in Nashville fokussierte und gut auf sich achtgab.
Sie stellte den Wagen auf dem Parkplatz ab und ging zum Hintereingang des Gebäudes. Zwei Stufen auf
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