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Tea-Bag

Tea-Bag

Titel: Tea-Bag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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er sich vorstellte, wußte sie nicht. Aber es spielte auch weiter keine Rolle.
    Sie stand vom Tisch auf und ging hinüber zu den Frauen, die mit großen Kellen in den enormen Töpfen fischten, während sie sich mit ihren schnatternden Stimmen unterhielten. Tea-Bag stellte den Teller auf den Geschirrwagen, ging hinunter zum Zaun und blickte auf das Meer hinaus. Irgendwo weit draußen im Dunst zog ein Schiff vorüber.
    - Tea-Bag, hörte sie eine Stimme sagen.
    Sie drehte sich um. Es war Fernando, der sie mit seinen geröteten Augen betrachtete.
    - Jemand will mit dir reden, fuhr er fort. Sogleich wurde sie mißtrauisch.
    - Wer?
    Fernando zuckte mit den Schultern.
    - Jemand will mit dir reden. Er will mit irgend jemand reden. Egal mit wem. Also will er mit dir reden.
    - Niemand will mit mir reden. Jetzt war sie auf der Hut, zeigte ihr großes Lächeln, damit Fernando ihr nicht zu nahe kam.
    - Wenn du nicht magst, kann ich jemand anders fragen.
    - Wer ist das, der mit mir sprechen will?
    Tea-Bag spürte, daß Gefahr im Anzug war. Sie begann zu hoffen, jemand würde ihr eine unsichtbare Öffnung im Zaun

zeigen. Um sich zu wappnen, machte sie ihr Lächeln so groß wie möglich.
    - Wer?
    - Jemand, der sich in den Kopf gesetzt hat, daß er über euch schreiben will.
    - Was schreiben?
    - Ich vermute, es ist für eine Zeitung.
    - Wird er über mich schreiben? Fernando verzog das Gesicht.
    - Ich frage jemand anders, wenn du nicht willst.
    Er drehte sich um und ging. Tea-Bag hatte das Gefühl, vor einer der wichtigsten Entscheidungen ihres Lebens zu stehen, entweder am Zaun zurückzubleiben oder Fernando zu folgen.
    Sie entschied sich für letzteres.
    - Ich möchte gern mit jemandem reden, der mit mir reden will.
    - Es wird für dich nicht von Vorteil sein, wenn du die Verhältnisse hier im Lager kritisierst.
    Tea-Bag versuchte dahinterzukommen, was er meinte. Die spanischen Wächter gebrauchten immer eine Sprache, bei der das Wesentliche zwischen den Worten lag.
    - Was kann für mich von Vorteil sein?
    Fernando blieb stehen, kramte einen Zettel aus der Tasche und las vor.
    - »Zu meiner Freude habe ich festgestellt, daß die spanischen Behörden unsere Situation mit humanem Wohlwollen betrachten.«
    - Was ist das?
    - Das, was du sagen sollst. Alle, die hier arbeiten, haben eine Kopie davon. Jemand aus dem Innenministerium hat es verfaßt. Das sollen alle antworten, die von Journalisten befragt werden. So sollst du auch antworten. Es kann für dich von Vorteil sein. - Was für ein Vorteil?
    - Ein Vorteil für dich.

- Was heißt das?
    - Daß wir dich weiterhin mit humanem Wohlwollen betrachten werden.
    - Was bedeutet das? »Humanes Wohlwollen?«
    - Daß du dein Ziel erreicht hast.
    - Was für ein Ziel?
    - Das Ziel, das du dir selber gesetzt hast.
    Tea-Bag beschlich ein Gefühl, als ginge sie mit verbundenen Augen im Kreis herum.
    - Bedeutet das, daß ich das Lager verlassen kann?
    - Im Gegenteil.
    - Was heißt »im Gegenteil«?
    - Daß du hier im Lager bleiben darfst.
    - Das hätte ich doch auf jeden Fall getan?
    - Du kannst zurückgeschickt werden. In das Land, aus dem du kommst. Welches es auch ist.
    - Ich habe kein Heimatland.
    - Du wirst aus Spanien in das Land ausgewiesen, in dem du dich zuletzt aufgehalten hast.
    - Dort wird man mich nicht aufnehmen.
    - Natürlich nicht. Du wirst zurückgeschickt, worauf wir dich wieder zurückschicken. Du gerätst in das hinein, was wir die »Kreisbewegung« zu nennen pflegen.
    - Was heißt das?
    - Daß du dich immer im Kreis herum bewegst.
    - Um was herum?
    - Um dich selbst.
    Tea-Bag schüttelte den Kopf. Sie verstand es nicht. Und es gab nichts, was sie so sehr aufregte, wie etwas nicht zu verstehen.
    - Ich habe von einem Mann gehört, der behauptet, er käme aus der Zentralafrikanischen Republik, fuhr Fernando fort. Seit zehn Jahren wohnt er jetzt auf einem Flugplatz in Italien. Niemand will ihn aufnehmen. Da auch niemand ihm einen

Flugschein bezahlen will, hielt man es für die billigste Lösung, ihn auf dem Flugplatz wohnen zu lassen.
    Tea-Bag zeigte auf den Zettel, den Fernando in der Hand hielt.
    - Soll ich das sagen?
    - Nur das. Nichts anderes. Fernando reichte ihr den Zettel.
    - Er wartet in meinem Büro.
    - Wer?
    - Der Journalist. Außerdem hat er einen Fotografen dabei.
    - Wozu? Fernando seufzte.
    - Das ist bei denen so üblich.
    Vor Fernandos Fenster warteten zwei Männer. Der eine war klein, hatte rote Haare und trug einen flatternden Regenmantel. In der Hand hielt er eine

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