Tea-Bag
hatte, ob die Telefonistin in der Zentrale seinen Namen kannte. Er setzte sich ins Auto und nannte dem Fahrer die Adresse. Der Mann am Steuer war
Afrikaner und sprach schlecht Schwedisch. Irritiert dachte Jesper Humlin, daß er den Weg zu dem kleinen Restaurant in der Altstadt bestimmt nicht finden würde, zu dem er unterwegs war, allerdings nicht, um seinen Verleger zu treffen, sondern zu einer anderen Verabredung, die mindestens ebenso wichtig war.
Einmal im Monat traf er sich mit seinem gleichaltrigen Schriftstellerkollegen Viktor Leander. Sie kannten sich seit der Zeit, als sie beide jung und unveröffentlicht waren, und es war zu einer festen Gewohnheit geworden, daß sie sich in monatlichen Abständen zusammensetzten, um ihren Marktwert zu vergleichen und sich insgeheim gegenseitig auszuhorchen. Ihre Beziehung war auf das gemeinsame Wissen gegründet, daß sie einander eigentlich nicht ausstehen konnten. Sie konkurrierten um die gleichen Marktanteile und fürchteten ständig, daß einer von ihnen jene glänzende Idee haben könnte, die den anderen in den Schatten stellen würde.
Der Fahrer fand sich auf Anhieb in den kleinen Gassen der Altstadt zurecht und setzte Jesper Humlin ab, der ein paar tiefe Atemzüge tat, ehe er die Tür öffnete und eintrat. Viktor Leander erwartete ihn am angestammten Ecktisch. Sogleich stellte Jesper Humlin fest, daß er einen neuen Anzug trug und die Haare hatte wachsen lassen. Viktor Leander trat ebenfalls mit Sonnenbräune auf. Vor etwa einem Jahr hatte er sich mit ein paar hochdotierten Artikeln über »elektronische Flügel« in einem Fachblatt für Computerberater ein privates Solarium erschrieben. Jesper Humlin nahm Platz.
- Willkommen daheim.
- Danke.
- Ich habe deine Karte bekommen. Hübsche Briefmarken.
- Die Reise war sehr gelungen.
- Du mußt mir unbedingt davon erzählen.
Jesper Humlin wußte, daß der Mann auf der anderen Seite des Tisches keineswegs daran interessiert war, irgend etwas
über die Salomoninseln oder Rarotonga zu hören. Und ihn seinerseits interessierte nicht im geringsten, welche Erlebnisse Viktor Leander gehabt hatte.
Sie bestellten das Essen. Nun kam das Schwierigste, das gegenseitige Aushorchen.
- Ich hatte einen Stapel Debütbücher im Gepäck. Das war kein sonderlich erhebendes Erlebnis.
- Aber nützlich. Ich verstehe genau, was du meinst. Sich herablassend über Debütanten zu äußern gehörte ebenfalls zum Ritual. War das Buch von einem der jungen Schriftsteller besonders gelobt worden, zerpflückten sie es gern in aller Ausführlichkeit.
Jesper Humlin hob sein Weinglas und prostete ihm zu.
- Was hast du jetzt in Arbeit?
- Einen Kriminalroman.
Fast hätte Jesper Humlin den Wein in die falsche Kehle bekommen.
- Einen Kriminalroman?
- Ich möchte all diese Bestsellerautoren, die nicht schreiben können, in Grund und Boden stampfen. Indem ich den Kriminalroman für literarische Zwecke verwende. Ich lese Dostojewski und lasse mich davon inspirieren.
- Wovon soll er handeln?
- So weit bin ich noch nicht.
Jesper Humlin spürte, wie die Tür zufiel. Natürlich wußte Viktor Leander, worüber er schreiben würde. Aber er wollte nicht riskieren, daß Jesper Humlin ihm die Einfälle klaute.
- Das klingt nach einer glänzenden Idee.
Jesper Humlin merkte, daß er gereizt reagierte. Auf diesen Gedanken hätte er selber kommen sollen. Ein Kriminalroman von einem der bedeutendsten Poeten im Lande würde viel Beachtung finden. Er würde alle Chancen haben, ein Verkaufserfolg zu werden, im Gegensatz zu den kleinen Auflagen, die seine Gedichtsammlungen erzielten. Plötzlich
verfluchte er die Reise in die Südsee. Wäre er zu Hause geblieben, wäre derselbe Gedanke, der Viktor Leander gekommen war, gewiß auch in seinem eigenen Kopf aufgetaucht. Hektisch suchte er nach einem Ausweg.
- Ich selbst habe vor, fürs Fernsehen zu schreiben. Diesmal war Viktor Leander an der Reihe, den Wein im Glas schwappen zu lassen. Als sie sich zuletzt getroffen hatten, wenige Tage vor Jesper Humlins Reise in die Südsee, hatten sie den Abend damit verbracht, über die miserablen Serien im Fernsehen herzuziehen. Jesper Humlin
hatte nicht die geringste Absicht, sich als Dramatiker zu betätigen. Das hatte er bereits probiert, ohne Erfolg. Nach zwei Ablehnungen, einmal vom Dramaten und einmal vom Stadsteatern, hatte er beschlossen, seine begrenzten Fähigkeiten auf dem Gebiet der Dramatik zu akzeptieren. Aber die einzige Art, wie er sich gegen Viktor
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