Tea Party Die weisse Wut - Was Amerikas Neue Rechte so gefaehrlich macht
Tischen werden rot-weiß-blaue Aufkleber und Anstecker mit Bachmanns Gesicht darauf verkauft. Mollige Frauen servieren Cola und »Sloppy Joe’s«, Brötchen mit Hackfleischsauce und Käse, auf Papptellern. Ein paar Hundert Menschen warten, Journalisten und Bachmann-Anhänger. Sie sind gut zu unterscheiden; die Bachmann-Fans sind weiß, manche tragen T-Shirts mit der amerikanischen Flaggeund Aufdrucken wie »Strong America«. Die Medienvertreter sehen ein bisschen städtischer aus, auch sind sie jünger und schlanker, und ein knappes Drittel von ihnen ist schwarz. Wann kommt sie denn? »Woher soll ich das wissen, ich bin doch bloß ein Reporter von den lamestream media«, sagt ein genervter Brillenträger vom Sender CBS und spielt damit auf Sarah Palins Verballhornung der
mainstream media
an.
Zwei Bühnen hat der Electric Park Ballroom, eine kleine in der Mitte, für Bachmann, und eine größere im Hintergrund, darauf drapieren die örtlichen Republikaner ein paar Kinder, weil das im Fernsehen gut aussieht. Ein »Anheizer«, der sagt, er sei ein Freund von Bachmann, erinnert uns alle an die Werte des Mittleren Westens, mit denen wir aufgewachsen seien: Redefreiheit, wenig Regierungsmacht, harte Arbeit. Er nennt Bachmann
comrade in arms
, Kampfgenossin. Und da kommt sie endlich, zu den Klängen von ›She’s an American Girl‹, läuft am Spalier der Fans vorbei, schüttelt Hände, wird fotografiert, tätschelt Kindern den Kopf, umarmt Frauen, lächelt, redet mit allen ein paar Worte. Sie ist sehr schlank und sehr klein – »so ist das, wenn norwegische Frauen älter werden«, wird sie nachher sagen, kaum zu sehen zwischen den vielen Menschen, dabei strahlt sie eine unermüdliche Energie aus. Marcus Bachmann, ihr grauhaariger, hochgewachsener, stämmiger Mann, der hinter ihr herläuft wie eine schwankende Eiche, bugsiert sie zur Bühne.
Dort steht sie nun und lächelt. »Entspannt euch, wir sind doch eine Familie«, sagt sie. Morgen werde sie ankündigen, dass sie als Präsidentin der Vereinigten Staaten kandidiere. Vor der Presse. Dieser Abend aber sei nur für uns, für Familie, Freunde, Nachbarn. Nun erzählt Bachmann von ihrer eigenen Familie, die aus Iowa stammt, in der siebten Generation. Die habe zu den Pionieren gehört, die 1850 gekommen seien, um Bäume zu fällen (und die Black Hawk und Sioux zu vertreiben). »Alles, was ich gelernt habe, habe ich in Iowa gelernt«, sagt sie. »Meine Wurzeln und mein Glaube an Gott stammen von hier.« Auch sie gehöre zu dem gottesfürchtigen Volk, das sich mehr um die Kinder und die Enkelkinder sorge als um sich selbst. Aber leider fehledie Stimme der Familie in Washington. »Wir brauchen mehr Waterloo, mehr Familie, mehr Iowa, mehr Liebe.« Vor allem bräuchten wir die alten amerikanischen Werte. »Aber es ist nicht zu spät, wir können wieder zu ihnen zurückkehren!«
Bachmann ist eine von hier. Als Kind, erzählt sie, habe sie die Lutherische Kirche in Waterloo besucht und die »Dairy Queen«, einen Eisladen, der heute noch aussieht wie in den fünfziger Jahren und den es überall im Mittleren Westen gibt. Und natürlich sei sie, Höhepunkt des Jahres, bei der Viehschau in ebendiesem Electric Park Ballroom gewesen, wo sie heute oder offiziell erst morgen ihre Kandidatur erklärt. Die Familie zog nach Minnesota, als sie noch ein Kind war. »Da habe ich lange geweint.« Das werden die Leute in ihrem Wahlkreis aber gar nicht gerne lesen.
Dann bittet sie ihre Familie auf die Bühne, zwei ihrer drei Brüder, einige ihrer fünf Kinder, bald ist die kleine Bühne mit Bachmann-Verwandten überfüllt. Keines ihrer 23 Pflegekinder ist hier, dafür aber zwei Stiefbrüder. Bachmanns Mutter hat nach ihrer Scheidung wieder geheiratet, einen Mann mit fünf Kindern, Michele war damals zwölf Jahre alt. Nicht anwesend ist ihre Stiefschwester Helen LaFave, die offen lesbisch lebt – und darüber hinaus Demokratin ist; sie war bei der Inaugurationsfeier von Barack Obama in Washington, zusammen mit ihrer Partnerin. Michael LaFave, ein gleichfalls nicht anwesender Stiefbruder, nimmt es Bachmann übel, dass sie den Kampf gegen die Schwulenehe anführt und sogar gesagt hat, Schwulsein bedeute »persönliche Unfreiheit«, »persönliche Verzweiflung« und »persönliche Versklavung«, und die Verhinderung der Schwulenehe sei das »Wichtigste, was das Schicksal unserer Nation in den nächsten dreißig Jahren bestimmen wird«. LaFave findet das abstoßend. »Michele redet so
Weitere Kostenlose Bücher