Teller, Janne
Ende von Taering , wo vor gar nicht langer Zeit noch
Wiesen waren und graubraune Schafe weideten. Weil es am entgegengesetzten Ende von Taering lag, war der Weg zwar lang und
beschwerlich, aber das Wichtige waren die großen Fenster. Gerdas Vater war zu
Hause, und wir mussten Klein Oskar nach draußen schmuggeln. Marie-Ursula
schlich in Gerdas Zimmer, und ich wartete draußen, um Klein Oskar
entgegenzunehmen und in den alten rostigen Käfig zu stopfen, den wir zu dem
Zweck aufgetrieben hatten. Gerda stand bloß in einer Ecke des Zimmers und
schluchzte und wollte nicht mithelfen.
»Halt den
Mund«, sagte ich schließlich, als ich das Geschniefe nicht mehr aushalten konnte. »Sonst landet ein toter Klein Oskar auf dem Berg .«
Daraufhin
hörte Gerda zwar nicht mit Schluchzen auf, dämpfte aber zumindest das Geheul,
so dass es auszuhalten war. Und dann kam sie wieder aus dem Haus, ohne dass ihr
Vater Verdacht geschöpft hatte.
Klein
Oskar war weiß und braun gefleckt und mit seinen zuckenden Schnurrhaaren
eigentlich ganz süß, und ich war ziemlich froh, dass ich ihn nicht töten
musste. Dafür war der Käfig schwer und unhandlich und der Weg zum stillgelegten
Sägewerk lang. Wir hätten uns vom frommen Kai den Zeitungswagen ausleihen
sollen. Das hatten wir nicht, also trugen wir abwechselnd. Auch Gerda, es gab
keinen Grund, warum sie nicht ihren Anteil an den Schulterschmerzen abkriegen
sollte, die Marie-Ursula und ich bekamen. Es dauerte ewig, bis wir zu den
Feldern und dem Sägewerk kamen, und Klein Oskar quiekte die ganze Zeit, als
wollte ich ihn wirklich töten, aber irgendwann waren wir da und konnten den
Käfig und Klein Oskar drinnen im Halbdunkel absetzen. Gerda durfte den Käfig
mit etwas alten Sägespänen auspolstern, und nachdem sie Klein Oskar eine
Extraportion Hamsterfutter und eine Schale frisches Wasser gegeben hatte, kletterte
ich auf die Leiter und platzierte den Käfig mit ihm ganz oben auf dem Berg.
Ich stieg
wieder hinunter, schob die Leiter etwas beiseite und schaute bewundernd zum
Berg mit dem Käfig hinauf - wie ein Stern thronte er leicht schief ganz oben.
Dann fiel mir auf, wie still es im Sägewerk geworden war.
Still.
Stiller. Ganz still.
Es war so still, dass ich plötzlich gar nicht anders konnte, als zu
bemerken, wie groß und leer das Sägewerk war, wie voller Ritzen und Risse der
Zementboden, der sich unter einer Decke aus dreckigen Sägespänen ahnen ließ,
wie dicht die Spinnweben an allen Latten und Sparren hingen, wie viele Löcher
das Dach hatte und wie wenige Scheiben noch heil waren. Ich sah mich um und sah
mir alles gründlich an, und am Schluss schaute ich hinüber zu meinen
Klassenkameraden. Sie starrten immer noch stumm auf den Käfig. Es war, als
stellte Klein Oskar irgendetwas mit dem Berg aus Bedeutung an, was weder meine
grünen Sandalen noch Sebastians Angelrute oder Richards Fußball vermocht
hatte. Ich persönlich war ziemlich stolz auf meinen Fund, deshalb fuchste es
mich, dass die anderen nicht begeisterter aussahen. Ole rettete mich.
»Wahnsinn, das ist vielleicht viel Bedeutung !« ,
rief er und schaute von Klein Oskar hinüber zu mir.
»Bin gespannt, ob Pierre Anthon da noch einen
draufsetzen kann«, schloss sich der große Hans an, und dem hatte keiner etwas
hinzuzufügen.
Ich musste
mir auf die Zunge beißen, um nicht vor Stolz zu erröten.
Es war
spät, und die meisten von uns mussten schleunigst nach Hause zum Essen. Wir
warfen einen letzten bewundernden Blick auf unseren übervollen Berg, dann
machte Sofie das Licht aus und die Tür hinter uns zu. Jan-Johan hängte das
Schloss davor, und wir strebten eilig in alle Richtungen. Gerda war an der
Reihe.
7
Gerda war nicht sonderlich einfallsreich und sagte nur, Maike solle ihr
Teleskop abliefern. Wir alle wussten, dass Maike zwei Jahre gebraucht und ihr
ganzes Erspartes für das Teleskop verwendet hatte und dass sie an jedem Abend
bei klarem Himmel hindurchsah , denn sie wollte
Astrophysikerin werden. Aber trotzdem war es irgendwie nichts Richtiges. Da war
Maike schon boshafter. Ohne lang zu überlegen, sah sie Frederik an und sagte: » Dannebrog .«
Frederik
schien kleiner und dünner zu werden, und gleichzeitig bekam er einen ganz
roten Kopf, den er gleich sehr energisch schüttelte. Frederik hatte braunes
Haar und braune Augen, und er trug immer ein weißes Hemd und blaue Hosen mit
Bügelfalten. Die zu ruinieren, gaben sich die anderen Jungen stets größte Mühe.
Und wie seine
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