Tempel der Träume - Der Roman (German Edition)
ihrem Kopf festgefressen. Immer wieder durchlebte sie den Moment, als sie auf der Bühne stand und die abfälligen Blicke der Menschen bemerkte, die sie missbilligend musterten. Und ein ums andere Mal hörte sie in ihrem Geist die Worte der Rothaarigen, die sie „dumme Krankenschwester“ geschimpft und vor allen Menschen bloßgestellt hatte. Bei der Erinnerung schoss ihr jedes Mal das Blut in den Kopf und sie hätte am liebsten geweint. Aber sie riss sich zusammen. Nicht eine einzige Träne benetzte ihr Kissen.
Dann dachte sie an das Gespräch mit Holger zurück und begann zu grübeln. Hatte der Freund vielleicht doch Recht? Hatte sie sich in etwas gestürzt, das sich am Ende auf jeder Ebene als fatal erwies? War diese ganze Suche tatsächlich eine gewaltige Nummer zu groß für sie?
Der, von dem sie felsenfest davon ausgegangen war, dass er sich als der Täter entpuppen würde, schien nun auszuscheiden. Er war zum Tatzeitpunkt im Gefängnis gewesen. An den anderen, den sie ganz oben auf ihre Liste gesetzt hatte, kam sie nur schlecht heran, um Näheres über ihn zu erfahren. Und er leugnete, das junge Mädchen damals verführt zu haben.
Und mehr dringend Verdächtige hatte sie nicht. Es schien eine Sisyphusarbeit zu werden, jeden Einzelnen im Fitnessbereich unter die Lupe zu nehmen. Das konnte sie niemals allein bewerkstelligen. Zudem schien Leon ihr nicht mehr wohl gesonnen zu sein. Sie hatte den Eindruck, als hätte er die Blamage des heutigen Abends zusammen mit Josephine ausgeheckt. Sie hatte die beiden gesehen, wie sie zum Feierabend die Köpfe zusammensteckten. Und ihr war so, als hätte Josephine ihr Grüße von Leon zugerufen, als Kiara aus dem Tanzclub gelaufen war. War Leon sauer auf sie, weil sie nicht mit ihm ausgehen wollte? Das war völlig verrückt! Aber vielleicht fasste er das wirklich als einen Affront gegen seine Männlichkeit auf.
Kiara seufzte. Sie verspürte nicht die geringste Lust, morgen zur Arbeit zu gehen. Sie hatte das Gefühl, als wäre sie dort nur von Feinden umgeben. Der einzige Lichtblick war Myrtel. Die Kollegin und Chefin hatte ihre eigenen Probleme, mit denen sie klarkommen musste. Die würde ihr nicht in den Rücken fallen. Was wäre, wenn Kiara einfach aufhören und von heute auf morgen kündigen würde? Müsste Myrtel dann die anfallenden Schichten auffangen?
Kiara starrte in die Dunkelheit. Der Gedanke, einfach aufzuhören, war so verlockend. Was sollte sie tun? Weiterforschen oder alles ruhen lassen? In den Status Quo zurückkehren, in die Welt, wie sie war, bevor sie vom „Pour Elles“ und dieser vermaledeiten Muschel erfuhr?
Mit diesen Gedanken beschäftigt verbrachte Kiara die Stunden bis zum Morgengrauen, ohne ein Auge zuzudrücken. Als die Sonne mit einem blassen Streifen am Horizont ihr Kommen ankündigte, stand sie auf. Es hatte keinen Sinn mehr, sich hier schlaflos herumzuwälzen. Stattdessen würde sie Holgers Rat annehmen und im „Pour Elles“ noch ein paar Vorteile wahrnehmen. Von Fitness hielt sie nicht viel, aber schwimmen würde sie vor der Arbeit gerne.
Sie zog sich an und machte sich fertig. Den Badeanzug packte sie ein, bevor sie zu Lea ins Zimmer huschte. Die Kleine schlief noch friedlich und schien etwas Angenehmes zu träumen, so glücklich lächelte sie.
Kiara gab der Tochter einen Kuss auf die Stirn und versprach ihr wortlos, das bevorstehende Musikvorspiel am Ende der Woche nicht zu verpassen. Die Kleine hatte ihr am Abend extra noch einen Erinnerungszettel auf dem Küchentisch hinterlassen.
Dann warf sie noch einen Blick in das Schlafzimmer ihrer Mutter, die ebenfalls noch fest schlief, und schloss die Wohnungstür hinter sich.
Es war noch sehr früh, der Berufsverkehr hatte noch längst nicht begonnen. Der Morgen roch frisch und klar, der Dunst des vorherigen Tages war wie weggewischt von der Kühle der Nacht.
Sie setzte sich in die U-Bahn und fuhr bis zum „Pour Elles“, wo sie als eine der Ersten das Haus betrat. Sie lief zur Schwimmhalle, wo sie sich in den Umkleideräumen umzog. Danach huschte sie kurz unter die Dusche, dann betrat sie die Lagune.
Es schien doch schon jemand im Schwimmbad zu sein, denn sie konnte von der Tür aus einen dunklen Haarschopf im Wasser ausmachen. Als sie näher trat, sah sie einen Mann, der vollständig bekleidet mit dem Gesicht nach unten im Wasser lag.
Kiara sah sich um. Vom Bademeister war keine Spur zu sehen.
„Hallo?“, rief sie. „Hallo? Hören Sie mich? Geht es Ihnen gut?“ Der Mann
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