Tempel der Unsterblichen
Heiligtum«, sagte Zapata.
*
Absonderliche Figuren flankierten den Weg zur Pyramidenspitze -in Stein gemeißelte Schlangen und andere Tiere, Darstellungen von Menschen, die ganze Geschichten erzählten, wenn man sich in sie vertiefte, und dazwischen beschreibende Texte.
Aber Lilith hatte für all das kaum einen Blick übrig. Sie konzentrierte sich ganz auf das, was Zapata »Heiligtum« genannt hatte.
Erst nachdem sie die Hälfte der Stufen erklommen hatten, erkannte Lilith, daß sich auf der Spitze der Pyramide noch etwas befand; es erinnerte an eine Hütte mit mehreren Türöffnungen und stark geneigtem Dach. Und obwohl es harmlos wirkte, weckte sein Anblick in Lilith ein ungutes Gefühl ...
Als sie die Treppe fast schon hinter sich hatte, sah Lilith auch die Gestalten, die dort oben auf sie warteten. Landru befand sich unter ihnen, aber er war der einzige, den sie erkannte. Die anderen trugen aufwendig verzierte Gewänder und Masken, die furchterregende Fratzen zeigten und teils mit Federn geschmückt waren.
Und dann war da noch -
»Was hat das alles zu bedeuten?« wandte Lilith sich an Landru. Ihre Handbewegung schloß alles ringsum mit ein - - auch die junge Frau, deren nackter Leib über und über bemalt war und die ausgestreckt auf einem Steinblock lag, der Lilith an einen Altar erinnerte.
Landru hob beschwichtigend die Hände.
»Unsere Kinder zelebrieren uns zu Ehren ein Willkommensritual«, sagte er lächelnd.
Lilith sah sich unbehaglich um. »Was immer es wird, es scheint mir - barbarisch.«
»Nicht doch«, wehrte Landru ab. »Es ist Teil ihrer Kultur, der Ge-schichte ihres Volkes.«
Sein Blick fiel wie zufällig auf die Nackte. Lilith bemerkte, daß der Blick der jungen Frau geradezu hündisch ergeben an Landru hing.
»Was hat sie damit zu tun?« fragte Lilith lahm. Sie ahnte die Antwort. Und irrte sich nicht.
»Sie ist das Opfer, das uns dargebracht wird«, erklärte Landru.
»Das heißt, sie werden das Mädchen - töten?«
Landru schüttelte den Kopf. »Nein.«
Lilith spürte vage Erleichterung in sich aufsteigen, doch Landrus nächste Worte machten sie nicht nur zunichte, sondern erfüllten sie im gleichen Zuge auch mit eisigem Entsetzen.
»Du wirst sie töten!«
Seine Hand verschwand hinter seinem Rücken und kam dann mit einem schwarzen Dolch wieder zum Vorschein. Er reichte Lilith die Waffe.
»Schneide ihr das Herz aus der Brust«, verlangte er kalt lächelnd.
ENDE des ersten Teils
Nächste Folge
Der Fluch des Blutes
von Timothy Stahl
Landrus perfider Plan scheint aufzugehen - ein Plan, der aus seiner ärgsten Todfeindin eine Schwester und Verbündete macht! Ohne Erinnerung an ihre frühere Identität ist Lilith ihm vollständig ausgeliefert. Landru schafft sie zu einer Vampirsippe, die ihm treu ergeben ist. Dort soll Liliths Dasein einen neuen, bösen Sinn erhalten, soll sie entgegen ihrem wahren Wesen das Leben einer echten Vampirin führen: grausam, brutal und erbarmungslos.
Der Fluch des Blutes entfaltet seine unheilige Wirkung und erschafft eine Lilith Eden, wie es sie nie gegeben hat. Doch nicht alle Mitglieder ihren neuen »Familie« sind ihr wohlgesonnen .
1 haab ist das Sonnenjahr der Maya, das 365 Tagen entspricht
2 siehe Höllen-Zyklus VAMPIRA T16-25
3 Codex (Mehrz. Codices) nennt man die »Bücher« der Maya; sie bestehen aus langen Streifen von Rindenpapier, die mit einer Kalkschicht überzogen sind, auf die der Schreiber Texte und Bilder malte.
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