Tempelhyänen
jedenfalls eine Gänsehaut, als ich die Stufen zur Kathedrale erklomm.
Es gibt vierzig Stufen. Jede hat einen Namen und umrundet die gesamte Kathedrale. Es sieht so aus, als hätte jemand versucht, eine Pyramide zu bauen und hätte nach ungefähr einem Drittel Bauzeit ein Einsehen gehabt. Die Kathedrale selbst beginnt ungefähr zehn Meter über dem Erdboden. Sie besteht aus unzähligen, hoch aufragenden Türmchen, die mit Wasserspeiern und anderen häßlichen Gnomen verziert sind. Die Stufen haben unregelmäßige Höhen und Breiten. Damit erschwert man ungebetenen Besuchern einen Sturmlauf ins Innere. Es gab eine Zeit, in der die Rivalitäten zwischen den einzelnen Sekten weit weniger zurückhaltend waren als heutzutage.
Die Verliese, in denen Magister Peridont angeblich seinem Vergnügen nachging, waren angeblich als Katakomben in das Fundament unter die Stufen gegraben worden.
Auf halbem Weg begegnete ich einem alten Priester. Er lächelte und nickte wohlwollend. Er entsprach genau dem Typ, wie alte Priester sein sollen. Die Konsequenz daraus ist, daß sie ihr Leben lang am unteren Ende der episkopalen Hackordnung vegetieren.
»Entschuldigt, Vater«, sagte ich. »Könnt Ihr mir vielleicht sagen, wo ich Magister Peridont finden kann?«
Enttäuscht musterte er mich. Er bemerkte verblüfft, daß ich kein Glaubensbruder war. »Bist du sicher, daß du zu ihm willst, mein Sohn?«
»Ja, bin ich. Er hat mich eingeladen, aber ich war noch nie hier und kenn mich nicht aus.«
Wieder sah er mich merkwürdig an. Vermutlich tauchte nicht jeden Tag einer auf, der so unverfroren nach Malevecha fragte. Der Pater sabbelte mich mit dem albernen Kirchengefasel voll, das fast schon einem Kauderwelsch glich. Als Essenz blieb übrig: Ich sollte den Kerl fragen, der Wache hinter dem Portal der Kathedrale schob.
»Danke, Vater.«
»Gern geschehen, Sohnemann. Ich wünsche dir einen angenehmen Tag.«
Ich stieg zum Portal hinauf und ließ meinen Blick über das Traumviertel schweifen. Der direkte Nachbar der Kirche war auch gleichzeitig sein erbittertster Wettbewerber. Das ausgedehnte Gelände der Basilika und Bastion der Orthodoxen begann ungefähr hundert Meter weiter westlich. Seine Kuppeln und Türme ragten hinter den umstehenden Bäumen empor. In den kleineren Tempeln herrschte reger Betrieb, doch da drüben rührte sich nichts. Es war so still wie in einer belagerten Stadt. Vermutlich waren die Skandale nicht so gut fürs Geschäft.
Ich trat aus der Dunkelheit heraus, fand den Wachmann und weckte ihn. Das gefiel ihm gar nicht. Und was ich von ihm wollte, gefiel ihm noch weniger.
»Was wollen Sie von ihm?«
»Zwanzig Minuten.«
Er kapierte nicht, deswegen stand er hier wohl auch Wache. Für irgendwas anderes war er nicht schlau genug. Er sah nicht gerade wie ein ganz normaler Schäfer aus, der sein Kirchspiel hütet. Sein Kopf saß ansatzlos auf seinem Rumpf. Hätte sich gut als Catcher gemacht, der Kerl. Sein Stirnrunzeln bildete fast eine Gebirgskette auf seiner Stirn. Er kam zu dem Schluß, daß ich einen Witz machte, und das gefiel ihm erst recht nicht.
»Der Magister und ich sind alte Spielkameraden aus dem Cantard. Husch, husch, eile hinfort und sag ihm, Garrett ist da.«
Eine zweite Gebirgskette erodierte über der ersten. Ein alter Kumpel von Malevecha? Seine Erbse im Kopf schlingerte heftig auf ihrer Umlaufbahn und riet ihm, vorsichtig zu sein, bis er das Amen von oben hatte. Dann konnte er mich immer noch einstampfen. »Ich sag ihm, daß Sie hier sind. Passen Sie solange auf. Damit keiner reinkommt und was klaut.« Er sah mich an, als fürchte er, ich könne den Altar ausplündern.
Keine schlechte Idee, wenn man damit bloß wegkommen würde. Man brauchte einen ganzen Wagenzug, um all die Schätze wegzuschleppen.
Er war eine Weile fort, während ich rumstand und die Passanten angrinste. Die Stammkunden sahen zweimal hin und wunderten sich. »Ich bin neu in dem Job. Achten Sie einfach nicht auf mich«, sagte ich ihnen, woraufhin sie ihrer Wege gingen. Ein blödes Grinsen half auch.
Der Wächter kam zurück. Er sah ziemlich verblüfft aus. Seine Welt-Scheibe drohte zu kippen und ins Trudeln zu geraten. Er hatte erwartet, daß Peridont ihm befahl, mich alle vierzig Stufen runterzuwerfen. Und zwar einzeln. Nichts da. »Ihr sollt mitkommen.« Ach, auf einmal so höflich.
Ich folgte ihm. Es überraschte mich, daß es so einfach war. Aufmerksam trottete ich hinter dem Catcher her. Wenn es besonders glatt geht,
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