Tempelhyänen
preßte ein Bündel fest gegen ihren Busen. »Komm mit.« Ich trottete los.
Schnee und Wind dämpften unsere Schritte, bis wir nur noch ein halbes Dutzend Meter von Mütterchen entfernt waren.
Das plötzlich herumwirbelte.
So was tun alte Mütterchen nicht.
»Hi, Jill.«
Sie richtete sich auf und beendete die Show. »Garrett.«
Maya trat hinter sie, falls sie auf die Idee käme, wieder zu türmen.
»Ich kann dich nicht einfach so davonkommen lassen«, sagte ich. Irgendwie war nicht der richtige Moment für Förmlichkeiten.
Sie seufzte. »Ich weiß. So bist du eben.« Ein zartes Schulterzucken. »Ich hatte nur nicht damit gerechnet, daß du mich so schnell einholen würdest.«
»Reine Glückssache.«
»Wenn ich sie freiwillig zurückgebe? Wäre das genug?«
»Ich fürchte nein. Es gibt einen alten Spruch: ›Jeder Tod eines Mannes tötet auch mich ein Stück.‹ Du hättest Agire nicht kaltmachen sollen! Es war unnötig.«
»Ich weiß. Es war dumm. Ich hab nicht nachgedacht. Die Gelegenheit bot sich, da habe ich zugestoßen. Ich wußte, daß es ein Fehler war, noch bevor er aufschlug. Aber so was kann man nicht ungeschehen machen.«
»Laß uns gehen.« Ich glaubte ihr. Maya nicht. Sie blieb auf dem ganzen Fußmarsch ins Traumviertel hinter uns. Während ich schweigend und bibbernd neben Jill herschlurfte, ging mir viel durch den Kopf. Vorwiegend Gedanken daran, daß sieben Männer gestorben waren, als wir Maya aus der Gewalt der Orthodoxen befreit hatten. Sieben, und keiner von meiner Hand. Ich konnte es drehen und wenden, wie ich wollte, aber ich hatte schließlich Morpheus gefragt, ob er mitkommen wollte.
»Gib ihnen einfach das Kästchen«, riet ich Jill, als wir uns dem Tor näherten. »Sag kein Wort. Und beantworte keine Fragen.«
Sie sah mich merkwürdig an. Ihre Augen wirkten so alt, wie sie gekleidet war. Aber sie machte es, wie ich es ihr gesagt hatte. Ein Wächter kam und fragte nach ihrem Begehr. Sie drückte ihm das Kästchen in die Hand und wandte sich an mich, um abzuwarten, was sie jetzt tun sollte.
»Auf Wiedersehen«, sagte ich, ergriff Mayas Arm und schritt mit ihr in den zunehmenden Schneefall. Wir kämpften mit gesenkten Köpfen gegen den heftigen, eisigen Wind an. Unsere Wangen brannten vor Kälte, und wir sagten kein Wort. In meinen Augenwinkeln bildeten sich kleine, tropfenförmige Eiskristalle.
54. Kapitel
Der Tote Mann war höchst zufrieden mit sich. Er überschlug sich fast vor Eigenlob. Selbst die Erwähnung seiner Fehleinschätzung Glanz Großmonds konnte ihm den Wind nicht aus den Segeln nehmen. Maya beobachtete ihn nervös, unsicher über ihre Position in diesem Junggesellenhaushalt. Und er prahlte mir was vor, während ich versuchte, ihn auszuschließen. Ich leerte meine Taschen, legte die kleinen Fläschchen in das Regal, wo der schreckliche Schlüssel versteckt worden war. Mit ihm würden wir das Naheliegendste tun. Es lagen keine Zauber auf ihm, nur Glücksbringer, damit man das Schloß fand, zu welchem er gehörte. Wir würden ihn zersägen und die einzelnen Stücke an verschiedene Schrotthändler verteilen. Er würde kein Problem mehr machen, sobald er einmal eingeschmolzen war. Das hätte man schon damals tun sollen.
Ich legte die Münze aus der Blauen Buddel auf ein Regal mit Souvenirs von anderen Fällen. Ich wünschte, ich hätte statt dessen die von Jill dort hinlegen können. Sie hätte mir mehr bedeutet, und sie hätte mich auch stärker an unsere eigene Fehlbarkeit erinnert. Ich fragte mich, was Jill wohl tun würde.
Sie würde überleben. Sie war eine Überlebenskünstlerin. In gewisser Weise wünschte ich ihr alles Gute. Vor allem, daß sie die Bürde der Vergangenheit abstreifen konnte.
Als ich die eiserne Kette mit dem Stein gegen die Donnerechsen vom Hals nahm, ging mir die Prahlerei des Toten Mannes allmählich auf den Sack. »Du hast die Sache mit Jill vermasselt, Alter Knochen. Sie hat dich angeschmiert. Du warst so verdammt stolz darauf, diesen blöden Schlüssel entdeckt zu haben, daß du diese angebliche Sorge nicht durchschaut hast.«
Man kann ihn ausschließen oder die Gedanken vor ihm verbergen, wenn man sich sehr stark darauf konzentriert. Offenbar hatte Jill den Aufenthaltsort der Reliquien vor ihm geheimgehalten, indem sie besonders stark an den Schlüssel dachte, der für sie sowieso wertlos gewesen war.
Das war ein kleiner Dämpfer. Doch statt zuzugeben, daß er einen Fehler begangen hatte, wechselte er das
Weitere Kostenlose Bücher