Tenebra 2 - Dunkle Reise
merklich ab.
Als wir im Burghof hielten, brachte ich es fertig, nicht vom Pferd zu fallen, doch musste ich mich an das Tier lehnen, bevor ich mich an die Stufen zum Bergfried wagte. Sie waren hoch und gnadenlos steil, um einen Angreifer, der bis in den Burghof vorgedrungen war, zu entmutigen. Nun, mich entmutigte schon ihr Anblick. Auch Silvus. Er versuchte nicht einmal abzusteigen.
»Sie haben es wieder geschafft, wie ich sehe.« Nun, beim genaueren Hinhören erkannte ich die scharfe Stimme mit ihrem nördlichen Akzent. Sie gehörte der Heilkundigen, deren Namen ich mir nie gemerkt und die mich das letzte Mal zusammengeflickt hatte. Sie kam die Treppe von oben herunter, wo sie den Transport der Verletzten in die Krankenstation überwacht hatte. Ich hatte mich nach Ariennes Aufenthalt erkundigen und zu ihr gehen wollen, wenn es möglich wäre. Ich versuchte den Fuß auf die nächste Stufe zu setzen, konnte ihn aber nicht hoch genug heben. Die Heilerin sah es, schnalzte, wandte sich um und rief jemandem in der Türöffnung über sich zu: »Novizin! Ja, dich meine ich, Mädchen. Komm her, und ihr zwei helft dem anderen Patienten. Stemmt die Schulter in seine Achselhöhle, wie ich es tue. So ist's recht. Nun hilf mir heben. Er ist ein schwerer Brocken.« Dann zu mir: »Im Namen der Göttin, wann haben Sie sich zuletzt gewaschen?«
Sie schleppten uns in den unteren Saal, doch diente der als Lager für landwirtschaftliches Gerät, und es ging mühsam eine weitere Treppe hinauf. Die Ausdrucksweise der Heilerin war unhöflich, obwohl sie so vorsichtig war, das meiste davon auf nordisch zu sagen. Vermutlich wollte sie die Novizin nicht verderben, ein Mädchen von vierzehn oder fünfzehn Jahren. Ob sie es für möglich hielt, mich zu verderben, bezweifle ich.
Der Obere Saal war durch Vorhänge in kleine Alkoven unterteilt, in denen Betten standen. Sie schleppten mich in einen davon, legten mich aufs Bett, entkleideten mich mit klinischer Gründlichkeit – wenn sie sich in Ausdrücken des Abscheus ergingen, dann wegen meines Zustandes, nicht aus irgendeinem anderen Grund – und fanden den Schnitt über meinen Rippen. Die Heilkundige erneuerte ihre Flüche. Das Blut war durch das Oliv und Rostbraun des Tarnstoffes, den ich als Umhang trug, nicht zu sehen gewesen, und jetzt, da die verklebte Kleidung entfernt war, blutete die Wunde von neuem.
»Heißes Wasser, Seife, Tücher, Nähzeug und Verband«, befahl sie der Novizin. »Und sag der Schwester in der Krankenstation, dass ich hier einen Verletzten zu waschen habe. Sie soll zwei Schüsseln bringen. Oder drei…« Mehr hörte ich nicht. Es war warm, ich lag ausgestreckt, und schon schlief ich.
Einmal erwachte ich, als sie meine Seite nähte. Es schmerzte. Sobald sie damit fertig war, schlief ich wieder ein. Ich wachte nicht einmal auf, als sie mich wuschen. Das war am frühen Nachmittag. Als ich das nächste Mal aufwachte, war es Morgen.
Der Orden ist sehr… nun, ordentlich. Ihre Krankenstation war es womöglich noch mehr. Sauber wie ein Kieselstein in einem Bachbett. Ich lag in einer Kammer, in der gerade vier Betten und eine Truhe Platz fanden. Bis auf meines waren die Betten unbelegt – die Krankenschwester war so taktvoll gewesen, die beiden verwundeten Männer aus Georghes Trupp anderswo unterzubringen, und ich hörte nichts von ihnen.
Ich war lebendig und in einem Stück. Meine Seite schmerzte nur, wenn ich mich herumwälzte. Die Götter wissen, dass ich so viel Glück nicht verdient hatte. Wo war Silvus? Wo war Arienne? Wo waren meine Sachen?
Die Heilerin kam herein und blickte auf mich herab. »Sie sind also wach. Wurde auch Zeit. Ihr Herr ist es auch, und er verlangt nach Ihnen. Er sagte uns auch nicht, dass er verletzt war. Jetzt weiß ich, von wem Sie das haben. Na, ich habe ihm auch gesagt, was für eine dumme Vorstellung das ist.«
Verletzt? Sie gab mir ein Gewand zum Überziehen, ich erkundigte mich und fand den Weg zu Silvus' Kammer.
Er saß aufrecht im Bett, starrte an die Wand und streckte und bog langsam und vorsichtig den rechten Arm. Barras hatte ihn knapp über dem Ellbogen getroffen; offensichtlich wollte er vermeiden, dass das Narbengewebe sich versteifte. Als ich hereinkam, blickte er zu mir auf. Sein Gesicht war noch grau und abgespannt.
Ich setzte mich auf die Truhe, die auch in seiner Kammer stand. »Das ist noch mal glimpflich abgegangen«, stellte ich fest.
Er nickte und blickte auf den Arm. »Ja. Er stach glatt durch. Aber außen am
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