Tenebra 2 - Dunkle Reise
vielleicht vom Nägelkauen bekommt.
Stille im Konklave. Dann fuhr sie fort, sorgfältig ihre Worte wählend: »Gleichwohl kann ich nicht sehen, warum dies eine Angelegenheit des Fürsten vom Stromland sein sollte. Lassen wir seine Ansprüche und seine eigenen Übertretungen einmal beiseite, so bleibt festzuhalten, dass der Zwischenfall sich auf dem Gebiet des Ordens ereignete – einem Gebiet, das wir wieder zu besiedeln begonnen haben. Ferner hat der Fürst sie nicht dieses Verbrechens beschuldigt. Sie, die sich selbst anklagten, stehen als Büßer vor dem Konklave.«
Barras regte sich, öffnete den Mund, Einspruch zu erheben. Die Priorin streifte ihn mit einem Blick. »Schweigen Sie, Leutnant Barras. Sie haben Ihre Meinung gesagt.«
»Aber…«
»Schweigen Sie, sagte ich.«
Selbst Barras konnte diesen Ton nicht übergehen. Er blieb still.
Die Magistra schürzte die Lippen. »Darum, Schwester Priorin, bin ich der Meinung, dass es Sache dieses Konklaves ist, über das Verbrechen zu richten und es nach ihrem Geständnis zu beurteilen, nicht nach einer Anklage. Denn dies ist die alte Doktrin: dass ein Kläger, der zum Konklave kommt, selbst saubere Hände haben muss.« Sie warf Barras einen Blick zu, neigte den Kopf vor der Priorin und setzte sich.
Die Priorin nickte. »Danke, Schwester Magistra. Schweigen Sie, Leutnant Barras; ich werde Sie nicht noch einmal verwarnen.« Sie wandte sich ihren Beisitzerinnen zu. »So sei es denn. Wir werden in der Beurteilung eines Büßers nach unserem Brauch verfahren. Willan de Parkin und Arienne Brook bezichtigen sich selbst des Totschlags unter Zuhilfenahme des Dunkels. Hat jemand etwas zu ihrer Verteidigung zu sagen?«
Silvus hob den Kopf. In seinen Augen war der Schmerz zu lesen. »Darf ich?« Sie nickte. »Will ist mein Knappe. Was immer hier geschieht, er bleibt es. Von mir wird erwartet, dass ich ihn die Tugenden des Rittertums lehre. Mut im Kampf, Bedürfnislosigkeit, Ausdauer, Geschicklichkeit im Umgang mit Waffen, Höflichkeit und Ritterlichkeit, Hilfsbereitschaft und Ehre.« Er lachte bitter. »Es muss mir bemerkenswert gut gelungen sein. Er hat gerade vorgeführt, dass er von Ehre mehr weiß, als ich jemals wusste.«
»Silvus, ich…«
»Sei ruhig, Will.« Er blickte zur Priorin. »Ich habe Ihnen hier keine Lügen aufgetischt. Wir waren der Verbrechen, deren Barras uns anklagte, nicht schuldig. Ich hatte zu unserer Verteidigung nichts hinzuzufügen. Und Grames wurde tatsächlich unter einem Pferd zu Tode getrampelt, wie ich sagte. Aber auch ich würde das Dunkel gebraucht haben, um ihn zu töten, wenn ich es gekonnt hätte. Und in diesem Fall würde ich niemals den Mut und die Ehre aufgebracht haben, so vor Ihnen zu sprechen. Ich gab mich damit zufrieden, das bloße Geschehen darzustellen und mich an den Buchstaben meines Eides zu halten. Will tat es nicht. Er und Arienne sagten die ganze Wahrheit. Sie haben mich beschämt, und so stehe ich vor Ihnen.«
Sie nickte. »Hat noch jemand etwas zu ihrer Verteidigung vorzubringen?«
Arienne drückte meine Hand.
»Dann werden wir über die Anklage des Totschlags durch Gebrauch des Dunkels abstimmen. Was sagt ihr, meine Schwestern? Schuldig oder nicht schuldig?«
Einzeln, dann in Gruppen und schließlich alle zusammen zogen die Schwestern die Kapuzen über ihre Köpfe. Ihre Gesichter verschwanden zum Zeichen, dass sie die Gerechtigkeit selbst symbolisierten: gesichtslos und blind. Wir waren schuldig. Priorin Winterridge sah zu und nickte.
»Es ist gut«, sagte sie mit leiser Stimme. »Und in der Frage, ob Ihnen die Freistatt gewährt werden soll, die sie alle drei beantragen – soll sie gewährt werden oder nicht?«
Diesmal ging es schneller. Die Kapuzen wurden auf die Schultern zurückgelegt, die Gesichter erschienen wieder. Manche lächelten.
Die Priorin wandte sich zu uns. Sie lächelte nicht. »Sehr gut. Hören Sie mein Urteil. Ser Silvus de Castro, der nach unserem Recht kein Verbrechen begangen hat, wird unter der Bedingung, dass er die Dienstbarkeit Willan de Parkins auf uns überträgt, Freistatt gewährt.«
Silvus neigte den Kopf. »Er ist mein Knappe, bis er es anders wünscht. Aber er übertrifft mich und schuldet mir nichts mehr. Wenn er will, ist er aus meinem Dienst entlassen.«
Sie nickte. »Willan de Parkin und Arienne Brook wird gleichfalls Freistatt gewährt. Doch weil sie des Totschlags mithilfe des Dunkels schuldig geworden sind, ist es an mir, das Urteil über sie zu sprechen. Das tue ich
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