Tenebra 3 - Dunkle Burg
bei den Übungen zur Verbesserung meiner Zielsicherheit mit der Schleuder meistens Steine verwendet hatte und mich damit sicherer fühlte. Es gab nur einen dumpfen Aufschlag, und er brach auf der Stelle zusammen.
Es gab keinen Aufschrei, kein Stöhnen. Als ich den Standort des Postens erreichte, erwartete mich dennoch ein Schock, weil Schwester Berichterstatterin vor mir dort war. Ich hatte sie aus den Augen verloren und ihre gebückte Gestalt im ersten Moment für den Wachtposten gehalten.
Als ich zu ihr trat, schüttelte sie den Kopf. Der Mann hatte einen Topfhelm getragen, der ihm nicht gut passte, und mein Geschoss hatte ihn unter dem Rand getroffen und ihm das Genick gebrochen. Ich nahm den Helm an mich, denn er hatte einen kleinen Federbusch, der seine Zugehörigkeit zu einem bestimmten Regiment kennzeichnete.
Sie flüsterte die Gebete, als wir den Toten unter einen Busch rollten. Dort würden sie ihn vor Tagesanbruch nicht finden, und bis dahin hätten sie andere Sorgen.
Ich sah sie fragend an. Sie machte eine hinweisende Kopfbewegung, und ich verstand, dass Silvus schon ein Stück voraus war. Wir folgten ihm, näherten uns dem Rauschen des Bergbaches. Auch auf unserer Seite des Wassers gab es Lagerfeuer, doch hofften wir uns zwischen ihnen durchschlängeln und ungesehen die Deckung des Uferbewuchses aus dichten Grünerlenbüschen erreichen zu können. Dort ließ sich leichter ein Versteck finden, aber das Problem war, dass jeder sich dort verbergen konnte.
Das bedeutete, dass die Annäherung sehr vorsichtig erfolgen musste. Zu diesem Manöver kam es nicht mehr.
Weit entfernt, auf der anderen Seite des Lagers, flammte plötzlich Lichtschein am Himmel auf. Da meine Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten, konnte ich Silvus' Gesicht deutlich erkennen. Er zuckte die Achseln, stand auf und schlenderte das letzte Stück hinunter zum Bach und hinein, als wüsste er nichts Besseres zu tun. Ich setzte den Helm des toten Wachtpostens auf, der mir noch schlechter passte als ihm, und folgte Silvus. Dabei versuchte ich wie ein Mann auszusehen, der gerade von der Latrine zurückkam. Wir platschten durch das Wasser und erstiegen die andere Böschung. Nun waren wir zwischen den Zelten, und es kam darauf an, keine Aufmerksamkeit auf uns zu lenken.
In der Ferne war Geschrei zu hören. Ich winkte Schwester Berichterstatterin näher und schob sie vor mir her. In ihrem Umhang mochte sie als eine Marketenderin vom Tross durchgehen, und meine Anwesenheit ließ sich leichter erklären. In gemächlichem Schritt hielten wir auf den Hang zu, über dem die Burg aufragte.
Allmählich begann man im Lager zu merken, dass etwas nicht in Ordnung war. Nun kamen wir an Zelten vorbei, die in regelmäßig ausgerichteten Reihen standen, nicht in willkürlich anmutenden Gruppen. Jemand steckte den Kopf aus einer Zeltklappe und fragte mich in verdrießlichem Ton, was zum Henker vorgehe. Ich zuckte mit der Schulter.
»Du da mit der Dirne! Mach voran! Meinst du, ich habe sonst nichts zu tun?« In diesem Ton hatte Silvus mich seit mehreren Jahren nicht mehr angeredet, aber es war seine Stimme, kein Zweifel. Ich schrak höchst überzeugend zusammen, dann lächelte ich entschuldigend. Schwester Berichterstatterin kicherte, und wir beschleunigten unsere Schritte. Der Kopf verschwand murrend im Zelt.
Wir waren beinahe zwischen den Belagerungsmaschinen – halb zusammengesetzten Gerüsten aus Holzbalken, deren Geschosse schon in Haufen bereitlagen –, bevor jemand uns überprüfen wollte. Gestalten rannten durcheinander, und Trompetensignale bliesen zum Sammeln. Zehn Schritte vor uns vertrat uns jemand den Weg und hielt eine Hand hoch. Ein Ingenieur oder Pionieroffizier, wie ich vermutete, mit Wagenschmiere im Bart. Aber Silvus kam ihm zuvor.
»Rinaldi, Graf Runkins Regiment«, sagte er in militärisch knappem Ton. »Wir haben Befehl, Sie gegen den Ausfall zu decken.« Und er stapfte weiter nach vorn.
»Ausfall?« Der Mann blickte zur Burg. »Welchen Ausfall?«
Silvus zeigte nach vorn. »Diesen da, welchen sonst?«
Und das Seltsame war dabei, dass er Recht hatte. Der Graben, den auszuheben ich geholfen hatte, befand sich nahe vor uns. In den Schatten hinter seinem Rand erschien plötzlich ein gelber Lichtschein, dann flog eine Salve brennender Fackeln über den Rand. Gestalten erschienen, Köpfe und Schultern, die von unten emporgehoben wurden oder kurze Leitern angelegt hatten.
»Laufen Sie, wenn Sie kein Schwert haben!«, grollte
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