Tenebra 3 - Dunkle Burg
Silvus. Der Ingenieur sah noch einmal hin, dann rannte er um sein Leben. Als er an Silvus vorbei wollte, stellte der ihm ein Bein und machte ihn zu dem am meisten überraschten Mann in Nathans Heer. Eine Schwertspitze funkelte vor seinen Augen, als er sich herumwälzte. Er konnte nur wütend zu uns aufstarren.
»Glauben Sie mir«, bemerkte Silvus, »Sie werden mir noch dankbar dafür sein, wenn Sie die Alternative bedenken. Rosen!« Das letzte Wort war ein zum Graben gerichteter Ruf. Von dort antwortete eine Altstimme: »Garten!« Gleich darauf waren Gestalten in Kettenpanzern um uns. Schwester Berichterstatterin warf den Umhang ab und zeigte ihre Rüstung.
»Du hast ungefähr fünf Minuten, Schwester Celestine, denke ich«, sagte sie mit ruhiger Stimme zu einer von ihnen. »Die meisten sind unterwegs zur anderen Seite, werden aber bald hier sein, wenn sie das Feuer sehen. Diese dort, denke ich. Die Seile sind geteert.«
Das flüssige Feuer des Ordens kann wegen eines Zusatzes von weißem Phosphor nicht mit Wasser gelöscht werden und entzündet sich von selbst. Sie bespritzten damit die Belagerungsmaschinen, und es zündete sofort. Wenige Augenblicke später leckten Flammen über die Holzbalken. Der Ingenieur fluchte und wand sich, als er sein wertvolles Material brennen sah. Silvus blickte finster auf ihn nieder, und der Mann ergab sich ins Unvermeidliche.
Hinter uns formierten sich Truppenabteilungen. Trompetensignale schmetterten. Einige weitere Ingenieure erschienen und flohen ins Lager hinunter, als sie sahen, mit wem sie es zu tun hatten.
»Hatten sie überhaupt keine Bewachungsmannschaft?«, fragte Schwester Berichterstatterin.
Schwester Celestine ließ ihre weißen Zähne im Feuerschein blitzen. »Eine kleine Abteilung leichtes Fußvolk im Graben«, räumte sie ein. »Ich glaube nicht, dass sie uns kommen sahen.«
»Offensichtlich nicht.« Schwester Berichterstatterin wandte sich um und beobachtete den Lärm und die Tätigkeiten hinter uns, dann nickte sie uns zu. »Aber ich glaube, es wird Zeit, dass wir gehen. Ich hoffe, ihr könnt uns an den Fallgruben vorbeiführen.«
Die halbfertigen Belagerungsmaschinen im Umkreis von fünfzig Schritten brannten jetzt. Schwester Celestine gab jedem von uns eine ihrer Schwestern als Begleitung mit auf den Weg. Wir krabbelten die angelegten Leitern in den Graben hinab und umgingen vorsichtig die eingerammten zugespitzten Pfähle. An einigen mochte ich selbst mitgearbeitet haben. Da wäre es dumm gewesen, mich jetzt selbst aufzuspießen.
Meine Begleiterin wandte sich zu mir. »Halten Sie sich an meinem Gürtel fest und treten Sie in meine Fußstapfen. Und behindern Sie mich nicht. Hier heißt es aufpassen.«
Wir erstiegen die abgeschrägte obere Böschung des Grabens und den darüber liegenden Hang zur Burg. Dabei bewegten wir uns Schritt für Schritt und meine Führerin zählte halblaut, während ich darauf achtete, wohin ich die Füße setzte. Die in den getarnten Fallgruben lauernden Eisenspitzen und Pfähle waren äußerst unangenehm.
Der felsige Ausläufer, auf dem die Burg stand, war steil, und da kam es mir zustatten, dass wir in dieser Nacht langsam und auf Umwegen hinaufstiegen, so und so viele Schritte vorwärts, so und so viele zur Seite. Trotzdem schnaufte ich, als wir vor dem Tor ankamen.
Es stand offen, das Fallgitter war hochgezogen. Eine starke Wache hielt es für den Fall besetzt, dass Nathan eine Abteilung Fußvolk zum Gegenangriff nach vorn werfen würde. Wir wurden wieder angehalten und mussten die Losung geben. Unten bei den brennenden Belagerungsmaschinen heulte jemand in Schmerzen auf. Ich hoffte, es war niemand von uns.
Jedenfalls war es nicht Silvus. Eine Minute nach mir erschienen er und seine Führerin aus der Dunkelheit, gefolgt von Schwester Berichterstatterin und dem Rest der Abteilung, die den Ausfall unternommen hatte.
»Alles gut, Schwester Celestine?«
Ich kannte diese Stimme, ohne hinzusehen. Priorin Winterridge in voller Rüstung und mit Spangenhelm.
»Alles in Ordnung, Schwester Priorin. Zwei Leichtverwundete und eine Verbrennung.«
»Gut. Bring sie gleich in die Krankenstation.« Die Priorin nickte befriedigt zum Brand hinunter, wie eine Hausfrau, die ein wärmendes Feuer in der Herdstelle schätzt. »Das war gute Arbeit.« Ihr Blick fand zu uns. »Ah, Ser Silvus, Ser de Parkin. Immer ein Vergnügen. Schwestern, wir ziehen uns zurück.«
Ein Pfeil kam aus der Dunkelheit und schlug einen Schritt neben ihrem linken
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