Terror: Thriller (German Edition)
Straße eine scharfe Kurve. Fabrizio bremste ab und schaltete in den zweiten Gang. Er parkte den Wagen gegenüber einer Kitesurfschule und stellte den Motor aus. Links lag dunkel und still das Meer. Er drehte sich um und schaute nach hinten: Auf der Rückbank hatten sich Carla und Anna eng aneinandergeschmiegt. Sie schliefen noch immer. Fabrizio öffnete die Tür und stieg aus. Vom Meer her kam eine frische Brise. Die Luft schmeckte salzig. Leise schloss er die Wagentür und ging zum Strand.
Fabrizio zog seine Schuhe aus und stapfte barfuß durch den Sand. Das tat gut. Dann setzte er sich und sah den Wellen zu. Er wusste nicht, wie lange. Plötzlich hörte er ein Geräusch hinter sich. Er drehte sich um. Es war Carla.
»Ciao«, sagte sie und setzte sich neben ihn. »Hast du eine Zigarette?«
»Nein. Ich rauche nicht.«
»Ich auch nicht. Aber ich hätte jetzt gerne eine Zigarette.«
Sie schauten aufs Meer.
»Wo sind wir?«, fragte Carla.
»Irgendwo zwischen Narbonne und Perpignan.«
»Warum bist du so weit gefahren?« Sie klang erstaunt.
Fabrizio zuckte mit den Schultern. Das konnte er ihr auch nicht sagen. Er war einfach gefahren.
»Spielt keine Rolle, oder?«
»Nein.«
Die Wellen rauschten. Carla vergrub ihre nackten Füße im Sand. Fabrizio wandte sich um und spähte über die Schulter.
»Meinst du, Anna sieht uns, wenn sie aufwacht?«
»Ja. Glaub schon.«
Plötzlich registrierte er aus dem Augenwinkel eine Bewegung links von ihnen: Es war ein Flamingo. Ruckartig ging er auf das Meer zu und blieb von einem Moment auf den anderen wie eingefroren stehen. Wie eine Statue.
Sie saßen schweigend nebeneinander und betrachteten den Flamingo.
Fabrizio spürte Carlas Schulter an seinem Oberarm.
»Wir finden eine Lösung«, sagte er, »alles wird gut.«
Sie lächelte ihm zu. Sie schien ihm dankbar zu sein für diese Worte. Dann schüttelte sie noch immer lächelnd den Kopf.
»Nein«, sagte sie, »es wird nie mehr gut werden.«
NACHWORT,,
Bis vor ein paar Jahren wäre ich nicht im Traum auf die Idee gekommen, dass die Geschichte des Terrorismus in Deutschland eine andere sein könnte als die, die ich aus den Geschichtsbüchern und den Medien kannte. Das änderte sich, als mich ein befreundeter Drehbuchautor im Herbst 2005 auf das Thema GLADIO hinwies. Sofort besorgte ich mir das gerade auf Englisch erschienene Buch »Nato’s Secret Armies – Operation Gladio and Terrorism in Western Europe« des Schweizer Historikers Daniele Ganser. Von da an hat mich das Thema nicht mehr losgelassen. Ich wollte mehr über das Verhältnis von Geheimdiensten und Terrorismus während des Kalten Krieges – und heute – erfahren. Und je mehr Fakten ich zusammentrug, desto überzeugter war ich davon, dass die Geschichte des Terrorismus in Deutschland neu aufgearbeitet werden muss. Auch wenn noch vieles unklar und schwer zu beweisen ist – das liegt, wenn es um die Arbeit von Geheimdiensten geht, in der Natur der Sache –, eines ist doch mittlerweile offenkundig: So, wie wir es bis jetzt vermittelt bekommen haben, ist es nicht gewesen.
Das ist ein unbefriedigender und gefährlicher Zustand, der allzu leicht dazu verführt, sich kopfschüttelnd und mit Grauen von einem System abzuwenden, das unter bestimmten Bedingungen Monströses hervorgebracht hat. Deshalb wäre es so wichtig, dass diejenigen, die Regierungsverantwortung tragen, bei der Aufarbeitung aktiv mitwirken: um die spezifischen Bedingungen zu identifizieren, in denen eine Demokratie an ihre Grenzen stößt. Es wäre der Beweis dafür, dass Demokratie als lebendiges System, trotz aller Fehler, funktioniert. »Je größer die Transparenz, umso größer ist auch der Grad an Demokratie«, sagte der Rechtsphilosoph Norberto Bobbio. Recht hat er. Weiteres Vertuschen und Verschweigen hingegen wäre ein falsches, ein fatales Signal.
Da es in Deutschland – im Gegensatz zu Italien, Belgien und der Schweiz – keine parlamentarische Untersuchung des Stay-behind-Netzwerkes gegeben hat – und somit auch kaum Dokumente und Unterlagen existieren – beschloss ich, der Sache mit meinen eigenen, ziemlich bescheidenen Mitteln nachzugehen. Ich entschied mich, mit der Kamera loszuziehen und Interviews mit Zeitzeugen zu führen, mit Menschen, von denen ich wusste oder vermutete, dass sie, auf die unterschiedlichste Art und Weise, mit dem Thema GLADIO und Terrorismus in Deutschland in Berührung gekommen waren. So sind ab dem Jahr 2008 Interviews entstanden – unter
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