Terror von Rechts
Fremde wären. Mit anderen Worten: Es wird die Perspektive der Täter eingenommen, die in einem Schwarzen einen nicht deutschen Fremden sehen, obwohl er vielleicht hier geboren wurde oder seit vielen Jahren hier lebt, anstatt eine sachliche Einstufung, nämlich dass es sich um rassistische Hintergründe handelt, vorzunehmen. Die Annahme, ein Schwarzer könne kein Deutscher sein, liegt haargenau auf der Linie der NPD, sie hetzte bereits des Öfteren gegen »Plaste-Deutsche«, da diese nach völkischer Lesart keine Deutschen sein können. Der NPD wird von der Öffentlichkeit immerhin Rassismus attestiert, doch schon bei Thilo Sarrazin gilt es öffentlich als umstritten, ob seine Äußerungen als rassistisch zu bezeichnen sind. Hätte die NPD im Zusammenhang mit Schülern einen Vergleich mit Pferderassen aufgemacht und über jüdische Gene doziert, wäre eine solche Diskussion sicherlich ausgeblieben. Ähnliches ist in der Debatte um Günter Grass zu beobachten. Antisemitismus beginnt für viele Deutsche erst, wenn Juden in Gaskammern getrieben werden – dabei ist dies der Endpunkt. Kurzum: Der Gedanke, Politiker oder Kulturschaffende, die nichts mit der NPD zu tun haben, könnten sich rassistisch oder antisemitisch äußern, scheint den meisten Deutschen geradezu absurd. Dies weist auf ein recht bemerkenswertes Selbstbild hin, wonach das Land im Prinzip immun gegen solche menschenfeindlichen Einstellungen sei. Das Gegenteil ist der Fall: Stereotype, Vorurteile und Ressentiments gehören zu der deutschen und europäischen Geschichte – bis heute. Wer sich darum drückt, die Phänomene beispielsweise nach Straftaten, die nur die härteste Ausdrucksform von Rassismus und Antisemitismus darstellen, zu untersuchen und zu benennen, steht dem Fortschritt im Weg, denn eigentlich sollte unser Ziel sein, Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes zu verwirklichen und für alle selbstverständlich zu machen: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. Das gilt nicht nur für Migranten, sondern auch für sozial Deklassierte, Behinderte, Juden, Homosexuelle und alle anderen Menschen. Der Kampf gegen Vorurteile ist kein naives Gutmenschentum, sondern die oberste Verpflichtung für Staat und Bürger – in ihrem eigenen Interesse übrigens, denn eine Gesellschaft, in der Menschen nicht entwürdigt und gedemütigt werden, verspricht auch deutlich mehr Sicherheit. Und zwar keine Sicherheit, die durch Überwachung und Repression erreicht wird.
Die Medien sollen dabei eine besonders wichtige Aufgabe erfüllen, sie prägen den öffentlichen Diskurs. Doch wenn Rassismus oder Antisemitismus medial als vermeintlich mutiger Tabubruch inszeniert werden, sind sie dieser Verantwortung nicht gerecht geworden. In vielen Redaktionen fehlt schlicht die Sensibilität gegenüber dem Problem Rassismus, was zumeist mit der homogenen Zusammensetzung der Belegschaft zusammenhängt: Weiß und aus der gehobenen Mittelschicht, so ist das Profil vieler Journalisten. Nicht gerade die Bevölkerungsgruppe, die viele Erfahrungen mit Diskriminierung machen muss. Und so finden Begriffe wie »Döner-Morde« oder »fremdenfeindlich« ihren Weg auch in seriöse Medien.
Marjan Parvand, Redakteurin bei »ARD-aktuell«, bestätigt, es gebe in vielen Redaktionen hierzulande noch wenig Wahrnehmung und Aufgeschlossenheit gegenüber Menschen, die einen anderen kulturellen Background mitbringen. »Den ›biodeutschen‹ Kolleginnen und Kollegen fällt es kaum auf, dass sie unter sich sind«, so Parvand. Die Journalistin engagiert sich im Netzwerk Neue Deutsche Medienmacher, einem Zusammenschluss von Journalisten mit Migrationshintergrund. Parvand betont die Fähigkeiten, die diese Kollegen mitbringen: eine gewisse Sensibilität, sprachliche Kompetenz und vielleicht auch ein besonderes Einfühlungsvermögen gegenüber Menschen mit Migrationshintergrund und ihren Geschichten. »Das ist in Zeiten, in denen jeder fünfte Bürger dieses Landes einen Migrationshintergrund hat, viel wert.« Wohl wahr. Doch Parvand warnt: »Nur weil wir uns für die Themen von Migranten starkmachen und hier eine differenziertere Berichterstattung wollen, heißt es nicht, dass wir auf dieses Themengebiet reduziert werden wollen.« 3
Reduziert auf ihren Migrationshintergrund werden die Kolleginnen und Kollegen von anderen. »Als ich als ganz junge Journalistin bei einer Politikredaktion anfing und meine Texte abgab, geschah es oft,
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