Terror von Rechts
dass ich für meine gute Orthographie gelobt wurde«, berichtet Sheila Mysorekar von den Neuen Deutschen Medienmachern. »Das war mir seit der Grundschule nicht mehr passiert. Es war mir ein Rätsel, warum das in der Redaktion so positiv vermerkt wurde – bis mir aufging, dass niemand dort erwartet hatte, dass ich korrektes Deutsch schreiben könne. Denn die anderen Leute im Sender, die so aussahen wie ich, die haben dort geputzt.« Und Ausländer sprechen, so zumindest der Eindruck, der beispielsweise in der Integrationsdebatte vermittelt wird, zumeist halt kein Deutsch. »Im Laufe meines Lebens«, berichtet Mysorekar weiter, »ist mir buchstäblich schon Tausende Male gesagt worden: ›Sie sprechen aber gut Deutsch!‹« Darauf antworte ich gerne: »Ich wünschte, ich könnte das auch von Ihnen behaupten!« 4
Gute Ausländer – schlechte Ausländer, integrationswillige Migranten – integrationsunwillige Migranten, erwünschte hochqualifizierte Arbeitskräfte – unerwünschte Flüchtlinge. Auch die Rechtsterroristen dachten offenbar in diesen Kategorien, immerhin besuchten sie regelmäßig ein griechisches Restaurant in Zwickau, dort waren sie als freundliche Gäste gern gesehen. Die NSU-Opfer wurden aber nicht erschossen, weil sie besonders schlecht oder ausgesprochen gut integriert waren – was immer das auch genau bedeuten soll, darüber ließe sich noch seitenweise schreiben – nein, sie wurden mit Kopfschüssen exekutiert, weil sie Migranten waren. Und sie wurden postum öffentlich zu angeblichen Kriminellen gemacht, weil sie Migranten waren. Und weil sie Migranten waren, wurde sogar an dem Tag der Trauerfeier über ihre vermeintlichen Versäumnisse gesprochen, anstatt die rechtsextreme Parallelwelt in Teilen Ostdeutschlands zu thematisieren, aus denen die Täter stammen. Die Medien haben die Aufgabe, denjenigen, die keine Stimme haben, eine zu verleihen – doch viel zu oft tun sie das Gegenteil, sie werden zum Resonanzverstärker von Institutionen oder Gruppen, die ohnehin bereits das Sagen haben.
Das Antifaschistische Pressearchiv und Bildungszentrum (apabiz) fragte: »Was wäre passiert, wenn den Opfern, den Hinterbliebenen und den Bedrohten in den Jahren zwischen 2001 und 2006 bedingungslos vertraut worden wäre? Wenn ihre Bedenken nicht abgetan worden wären und die Medien ein rassistisches Mordmotiv konsequent als naheliegend verfolgt hätten, ebenso wie die ermittelnden Behörden? Was wenn antirassistische Initiativen sich solidarisch an die Seite der Betroffenen gestellt hätten? Vielleicht wäre dann die Mordserie nicht anders verlaufen, als sie es tatsächlich tat. Aber die Gesellschaft wäre heute eine andere und der Graben zwischen den eingewanderten und den herkünftigen Deutschen etwas weniger tief. Und das Misstrauen, das inzwischen wie mit Händen greifbar scheint, wäre vielleicht nicht so beängstigend groß.« 5
Migranten können so angepasst sein, wie die Mehrheit der Deutschen es will, sie bleiben dennoch Migranten. Sie können so gut Deutsch schreiben und sprechen, wie sie wollen, sie bleiben Migranten – und sie sollen »liefern«, früher als einfache Arbeitskräfte, heute als Fachkräfte, die sich gefälligst ihren Platz erarbeiten sollen, die gefälligst besonders bemüht sein sollen, sich zu integrieren und weiterzubilden – immerhin dürfen sie hier schon leben. Fast schon amüsant ist es, die Debatten über deutsche Greencards zu verfolgen: Deutsche Politiker tun geradezu so, als handele es sich um eine milde Gabe für die an den Grenzen anstürmenden Inder und andere IT-Fachleute, wenn sich Deutschland dazu durchringt, eine Greencard für hochqualifizierte Migranten anzubieten. Und dann wundert man sich, wenn diese undankbaren Migranten gar nicht kommen wollen – beispielsweise weil sie in anderen Ländern weit bessere Bedingungen vorfinden, nicht nur, was die Bezahlung angeht, sondern insbesondere die gesellschaftliche Akzeptanz. Denn fast nirgendwo sitzen veraltete und völkische Ansichten über das Blutsrecht noch so tief in den Köpfen der Menschen wie in Deutschland: Deutscher wird man demnach nicht, Deutscher ist man. Alle Versuche, das deutsche Blutsrecht endlich und endgültig in der Rumpelkammer der Geschichte zu verstecken, schlugen bislang fehl. Stattdessen prägen »Integrationsdebatten«, die in Wirklichkeit stets Unterschiede betonen, die öffentlichen Diskussionen. Der Migrationsforscher Klaus J. Bade meint dazu im Interview mit dem Autor: »Migration
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