Terrorist
ihn die ganze Nacht wach halten, ihn zu einem weniger effizienten shah ī d machen. Doch deren mechanische Musik – eine kurze Tonfolge jede Viertelstunde, die letzte, aufwärts strebende Note lange nachklingend wie eine fragend gehobene Braue, und zu jeder vierten Viertelstunde eine längere Klangfolge, dem klagenden Die-Stunde-Schlagen voraus – erweist sich als einlullend und bestätigt Ahmed, nachdem ihn der Scheich endlich allein gelassen hat, dass er sich tatsächlich in einem sicheren Raum befindet.
Die früheren Bewohner dieser kleinen Kammer haben kaum Anzeichen für ihren Aufenthalt hinterlassen. Ein paar Schürfspuren an den Fußleisten, zwei, drei Brandstellen von Zigaretten auf dem Fensterbrett und auf der Kommode, den Glanz, der von der wiederholten Benutzung von Türknopf und Schlüsselloch zeugt, einen bestimmten animalischen Geruch, der noch in der kratzigen blauen Bettdecke hängt. Das Zimmer ist äußerst sauber, noch weitaus ordentlicher als Ahmeds Zimmer in der Wohnung seiner Mutter, wo sich noch immer profane Habseligkeiten befinden – elektronisches Spielzeug mit leeren Batterien, alte Sport- und Motorzeitschriften, Kleidungsstücke, die in ihrer Strenge und ihrem engen Sitz seiner Teenagereitelkeit Ausdruck verleihen sollten. In seinen achtzehn Lebensjahren haben sich historische Dokumente angehäuft, die, stellt er sich vor, für die aktuellen Medien von großem Interesse sein werden: in Pappe gerahmte Fotos von Kindern, die auf den braunen Steinstufen der Thomas Alva Edison Elementary School in die Maisonne blinzeln, Ahmed mit düsterem Blick und ohne ein Lächeln irgendwo inmitten der Reihen anderer Gesichter, die meisten davon schwarz, einige weiß, alle in einen Topf geworfen und eingezogen zu der Kinderarbeit, loyale und des Lesens und Schreibens mächtige Amerikaner zu werden; Fotos vom Leichtathletik-Team, auf denen Ahmed Mulloy älter ist und den Anflug eines Lächelns zeigt; bei Sportfesten errungene Siegesschleifen, deren billige Farben rasch verblichen sind; ein Filzwimpel der Mets, bei einem Busausflug zum Shea Stadium in der neunten Klasse ergattert; eine wunderschön kalligraphierte Liste der Mitschüler in der Koranschule, ehe sie auf ihn zusammenschrumpfte; sein C-Führerschein; eine Porträtfotografie seines Vaters mit dem beflissenen Grinsen des Ausländers und einem schmalen Oberlippenbärtchen, das schon im Jahr 1986 altmodisch gewirkt haben muss, und in der Mitte gescheiteltem Haar, das unterwürfig angeklatscht ist, während Ahmed sein nach Textur und Dichte gleiches Haar stolz mit ein wenig Mousse in die Höhe gebürstet trägt. Das Gesicht seines Vaters, das weite Verbreitung finden wird, war auf konventionellere Weise gutaussehend als dasjenige des Sohnes, wenn auch eine Nuance dunkler. Seine Mutter wird, wie die im Fernsehen erscheinenden Opfer von Überschwemmungen und Tornados, oft interviewt werden und in ihrem Schock anfangs unter Tränen unzusammenhängende Dinge von sich geben, später jedoch ruhiger sprechen, ganz die zurückblickende Trauernde. Ihr Bild wird in der Presse erscheinen; für einen Moment wird sie berühmt sein. Vielleicht wird der Absatz ihrer Gemälde vorübergehend in die Höhe schießen.
Er ist froh darüber, dass der sichere Raum von jeglichem Hinweis auf seine Person frei ist. Dieses Zimmer ist, so empfindet er es, seine Druckausgleichskammer für den ungestümen Aufstieg, der ihm bevorsteht, getragen von einer Explosion, die so schnell und stark sein wird wie das muskulöse weiße Pferd Buraq.
Scheich Rashid schien nicht recht gehen zu wollen. Auch er, rasiert und im westlichen Anzug, hatte einen Aufbruch vor sich. Zappelig bewegte er sich in dem kleinen Raum umher, zog klemmende Kommodenschubladen auf und überzeugte sich, dass im Bad Waschlappen und Handtücher für Ahmeds rituelle Waschungen bereitlagen. Pedantisch rückte er den Gebetsteppich auf dem Boden zurecht, dessen eingewobener mihrab nach Osten, Richtung Mekka wies, und hob hervor, dass er den winzigen Kühlschrank mit einer Orange, einem Joghurt und Brot für das Frühstück des Jungen am Morgen ausgestattet habe – mit einem ganz besonderen Brot, khibz el-’Abbas, dem Abbas-Brot, das die Schiiten im Libanon zu Ehren des religiösen Aschura-Festes backen. «Es enthält Honig», erläuterte er, «Sesam und Anissamen. Es ist wichtig, dass du morgen früh stark bist.»
«Vielleicht bin ich ja nicht hungrig.»
«Zwinge dich zu essen. Ist dein Glaube noch immer
Weitere Kostenlose Bücher