Terrorist
weichen Aufsichtsratssessel mehr. Keine Rednerhonorare. Keinen siebenstelligen Vorschuss auf meine Memoiren.» So etwas sollte ein Mann allenfalls seiner Frau eingestehen.
Hermione ist schockiert. Er ist ihr näher gekommen, in ihrer Achtung jedoch gesunken. Während sie noch versucht, ihn als schönen, selbstlosen Diener des Gemeinwesens in Erinnerung zu behalten, bemerkt sie ein wenig spitz: «Herr Minister, niemand kann zwei Herren dienen. Der Mammon ist der eine; den anderen zu benennen, wäre anmaßend von mir.»
Der Minister nimmt dies in sich auf, blinzelt mit seinen überraschend hellblauen Augen und schwört: «Gott sei Dank, dass ich Sie habe, Hermione. Natürlich. Vergessen wir den Mammon.» Er lässt sich an seinem dürftigen Schreibtisch nieder, tippt ungestüm piepsende Dreiergruppen von Codeziffern in das elektronische Gerät und lehnt sich in seinem ergonomisch korrekten Schreibtischstuhl zurück, um in die Sprechanlage zu bellen.
Hermione ruft gewöhnlich nicht sonntags an. Sie tut es lieber an Wochentagen, wenn Jack wahrscheinlich nicht zu Hause ist. Sie hat Jack noch nie viel zu sagen gehabt, was Beth ein wenig kränkend fand; es war, als trage Hermione die lächerlichen antisemitischen Vorurteile ihrer lutheranischen Eltern weiter. Zudem ist Beth zu dem Schluss gekommen, dass ihre «große» Schwester sich an einem Werktag in die Ausrede flüchten kann, ihr anderes Telefon blinke rot, wenn sie meint, Beth werde zu weitschweifig. Heute jedoch ruft Hermione an, als die Kirchenglocken läuten, und Beth freut sich, ihre Stimme zu hören. Sie möchte ihr eine gute Neuigkeit mitteilen. «Herm, ich hab da so eine Diät angefangen, und in nur sechs Tagen hab ich fünf Kilo abgenommen!»
«Die ersten Kilos sind die leichtesten», sagt Hermione; immer muss sie herabsetzen, was Beth tut oder sagt. «In dieser Phase verlierst du nur Wasser, und das kommt sofort wieder zurück. Die wirkliche Prüfung kommt dann, wenn du den Unterschied siehst und beschließt, dir zur Feier mal eine richtige Schlemmerei zu gönnen. Übrigens, ist das die Atkins-Diät? Die soll gefährlich sein. Eine Unzahl von Leuten wollte ihn gerade verklagen, deswegen kam auch der Eindruck auf, irgendetwas könnte faul sein, als er ganz plötzlich starb.»
«Nein, nur die Karotten-und-Sellerie-Diät», sagt Beth.
«Wenn ich das Bedürfnis habe, irgendwas zu knabbern, dann hol ich mir eine von diesen Minimöhrchen, die’s jetzt überall gibt. Weißt du noch, wie die Karotten früher mit den Farmerlastern aus Delaware nach Philly kamen, in Bündeln, noch voller Erde und Sand? Oh, wie ich das Gefühl gehasst habe, auf Sandkörner zu beißen – es knirschte so laut im Kopf! Die Gefahr besteht bei den Minimöhrchen nicht; sie müssen aus Kalifornien kommen und sind alle auf genau die gleiche Größe zurechtgesehält. Das einzige Problem ist, dass sie schleimig werden, wenn sie zu lange in der verschweißten Packung bleiben. Bei Sellerie hast du das Problem, dass du nach ein paar Stängeln so einen komischen Faserklumpen im Mund hast. Aber ich bin fest entschlossen, bei der Stange zu bleiben. Cookies zu knabbern, ist weiß Gott einfacher, aber jeder Bissen bedeutet zusätzliche Kalorien. Hundertdreißig pro Stück, hab ich zu meinem Schreck auf der Packung gelesen! Sie drucken das so teuflisch klein!»
Merkwürdig, dass ihr Hermione noch nicht das Wort abgeschnitten hat; Beth weiß, wie langweilig sie ist, wenn sie vom Verzicht auf Essen redet, aber an etwas anderes kann sie nicht denken, und laut davon zu sprechen, hilft ihr, durchzuhalten, nicht rückfällig zu werden, trotz ihrer Schwindelanfälle und Magenkrämpfe. Ihr Magen begreift nicht, was sie ihm antut, warum er bestraft wird; er weiß nicht, dass er seit Jahren ihr ärgster Feind gewesen ist. Da liegt er unter ihrem Herzen und brüllt danach, gefüllt zu werden. Carmela mag schon gar nicht mehr auf ihrem Schoß liegen, so sprunghaft und reizbar ist sie geworden.
«Und was hält Jack von dem allen?», fragt Hermione. Sie spricht ernst und ausgeglichen, eine Spur zögernd und gesetzt; sie wägt ihre Worte ab. Dabei ist diese Aussicht auf eine neue, schlanke, vorzeigbare Schwester doch etwas, worüber sie beide kichern könnten, wie sie es immer taten, als sie sich im Haus an der Pleasant Street noch ein Zimmer teilten und einfach das Leben genossen. Als Hermione dann ernster und strebsamer wurde, konnte sie irgendwann nicht mehr kichern; munter zu sein, fiel ihr schwer. Beth
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