Terrorist
stark?»
«Nach meinem Gefühl ja, Meister.»
«Durch diese glorreiche Tat wirst du mich überragen. Du wirst vor mir auf der goldenen Ruhmestafel stehen, die im Himmel geführt wird.» Seine edlen grauen Augen mit den langen Wimpern schienen wässerig und schwach zu werden, und er blickte zu Boden.
«Hast du eine Uhr?»
«Ja.» Eine Timex, die er von seinem ersten Lohn erstanden hatte, klobig wie die seiner Mutter. Die Ziffern darauf sind groß und die Zeiger fluoreszierend, damit man sie im Laster auch bei Dunkelheit lesen konnte, wenn man draußen zwar alles, in der Kabine des Lasters aber kaum etwas sah.
«Geht sie genau?»
«Ich glaube, ja.»
Es gibt einen schlichten Stuhl im Zimmer, dessen Beine mit Draht befestigt sind, denn die Streben sind aus dem Leim gegangen. Ahmed hatte es für unhöflich befunden, den einzigen Stuhl im Raum in Beschlag zu nehmen, und sich einen Vorgeschmack auf den erhöhten Status, den er erwerben wird, gegönnt, indem er sich aufs Bett legte und die Hände hinter dem Kopf verschränkte, um zu zeigen, dass er nicht etwa zu schlafen beabsichtige, obwohl er sich in Wahrheit tatsächlich so müde fühlte, als gäbe es in dem kärglichen Zimmer irgendwo ein Leck, durch das einschläferndes Gas einströmte. Unter den anhaltend besorgten Blicken des Scheichs war ihm unbehaglich zumute, und er wünschte nun, der Mann möge gehen. Er sehnte sich danach, seine einsamen Stunden in diesem sauberen, sicheren Raum auszukosten, allein mit Gott. Der Imam schaute mit einer Neugier auf ihn hinab, die Ahmed daran erinnerte, wie er selbst stehend auf den Wurm und den Käfer hinuntergeblickt hatte. Scheich Rashid war von ihm fasziniert wie von etwas zugleich Abstoßendem und Heiligem.
«Mein lieber Junge, ich habe doch keinen Zwang auf dich ausgeübt?»
«Also … Nein, Meister. Wie denn auch?»
«Ich meine: Du hast dich aus freien Stücken erboten, erfüllt von deinem Glauben?»
«Ja, und aus Hass auf diejenigen, die Gott verhöhnen und verwerfen.»
«Ausgezeichnet. Du fühlst dich nicht manipuliert von denen, die dir an Jahren voraus sind?»
Eine erstaunliche Idee, obwohl auch Joryleen sie zum Ausdruck gebracht hatte. «Natürlich nicht. Ich fühle mich von ihnen weise geführt.»
«Und dein Weg morgen ist dir klar?»
«Ja. Ich soll Charlie um sieben Uhr dreißig bei Excellency Wohnbedarf treffen, und wir fahren zusammen zu dem beladenen Lastwagen. Darin wird er mich auf der Fahrt zum Tunnel ein Stück begleiten. Danach bin ich auf mich gestellt.»
Etwas Hässliches, ein verunstaltendes Zucken, zog über das glatt rasierte Gesicht des Scheichs. Ohne seinen Bart und den üppig bestickten Kaftan wirkte er bestürzend normal – schmächtig, ein wenig zittrig im Gebaren, ein wenig welk und nicht mehr jung.
Auf der groben blauen Decke ausgestreckt, war Ahmed sich seiner Überlegenheit an Jugend, Größe und Kraft bewusst – und seines Lehrers Furcht vor ihm, einer Furcht, wie man sie vor einer Leiche verspürt. Stockend fragte Scheich Rashid: «Und wenn nun Charlie aufgrund eines unvorhergesehenen Missgeschicks nicht da wäre, könntest du den Plan dennoch ausführen? Könntest du den weißen Lastwagen allein finden?»
«Ja, ich kenne die Gasse. Aber warum sollte Charlie nicht da sein?»
«Ahmed, ich bin mir sicher, dass er da sein wird. Er ist ein tapferer Kämpfer für unsere Sache, für die Sache des wahren Gottes, und Gott verlässt niemals jene, die für ihn Krieg führen. All ā hu akbar !»Seine Worte mischten sich mit der fernen Klangfolge der Rathausuhr. Alles entfernte sich mittlerweile, schwand bebend dahin. Der Scheich fuhr fort: «Wenn im Krieg der Soldat neben dir fällt, selbst wenn er dein bester Freund ist, selbst wenn er dich alles gelehrt hat, was du über das Soldatsein weißt, läufst du dann davon und versteckst dich oder marschierst du voran, in die Kugeln des Feindes?»
«Man marschiert voran.»
«Genau. Gut.» Liebevoll und doch wachsam starrte Scheich Rashid auf den liegenden Jungen hinab. «Ich muss dich jetzt allein lassen, mein Musterschüler Ahmed. Du hast fleißig gelernt.»
«Danke, dass Sie das sagen.»
«Nichts an unseren Studien, so hoffe ich, hat in dir Zweifel an der Vollkommenheit und ewigen Gültigkeit des Buches der Bücher geweckt?»
«Nein, in der Tat nichts, Sir.» Wohl hatte Ahmed manchmal gespürt, dass seinen Lehrer solche Zweifel bei seinen Studien befielen, doch jetzt war nicht der Zeitpunkt, ihn darüber zu befragen, es war zu spät;
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