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Terrorist

Terrorist

Titel: Terrorist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Updike
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seiner Hand nach ihr.
    «Bitte, Mr. Levy», sagt er. «Es ist meine Tat. Die Bedeutung verwandelt sich vom Sieg in eine Niederlage, wenn Sie es tun.»
    «Mein Gott, du solltest Anwalt werden. Okay, hör auf, mir die Hand zu zerdrücken. Ich hab’s nicht ernst gemeint.»
    Das Mädchen hinten in dem Station Wagon hat das kurze Gerangel gesehen und mit ihrem Interesse ihren Bruder aufgeweckt. Ihre vier glänzenden schwarzen Augen gucken starr herauf. Am Rand von Ahmeds Gesichtsfeld reibt sich Mr. Levy mit der anderen Hand die Faust. Vielleicht um Ahmed durch Schmeichelei zu besänftigen, sagt er: «Du bist in diesem Sommer stark geworden. Nach unserem Gespräch hast du mir so schlaff die Hand gegeben, dass es schon beleidigend war.»
    «Ja, vor Tylenol hab ich keine Angst mehr.»
    «Vor Tylenol?»
    «Jemand, der auch in diesem Jahr von Central High abgegangen ist. Ein stumpfsinniger Schläger, der von einem Mädchen Besitz ergriffen hat, das ich mochte. Und das mich mochte, so seltsam ich ihr auch vorgekommen sein muss. Nicht nur Sie haben Schwierigkeiten auf dem romantischen Gebiet. Nach einigen islamischen Theoretikern ist es einer der schwerwiegenden Irrtümer des heidnischen Westens, dass eine animalische Funktion zum Götzen erhoben wird.»
    «Erzähl mir was von den Jungfrauen. Von den siebenundzwanzig Jungfrauen, die sich im Jenseits deiner annehmen werden.»
    «Der heilige Koran nennt für die h ū ry ā t keine bestimmte Zahl. Er sagt nur, dass sie viele sind, dass sie großäugig sind und sittsam den Blick senken und dass weder Mensch noch Dschinn sie je berührt hat.»
    «Dschinn, auch das noch! Au weia.»
    «Sie spotten, ohne die Sprache zu kennen.» Ahmed spürt, dass die verhasste Röte in seinem Gesicht aufglimmt, als er den Spötter belehrt: «Scheich Rashid hat die Dschinn und Huris als Symbole der Liebe Gottes zu uns erklärt, die überall ist, sich ewig erneuert und die gewöhnliche Sterbliche nicht unmittelbar begreifen können.»
    «Okay, wenn du’s so siehst. Ich will darüber keine Diskussion anfangen. Mit einer Explosion kann man nicht diskutieren .»
    «Was Sie eine Explosion nennen, ist für mich ein Nadelstich, eine kleine Öffnung, die Gottes Macht in die Welt einströmen lässt.»
    Obwohl es bei dem stockenden Verkehrsfluss so ausgesehen hat, als werde der Moment niemals kommen, zeigt Ahmed eine leichte Abflachung und dann ein sanftes Ansteigen des Tunnelbodens, dass der tiefste Punkt erreicht ist, und die Biegung der gekachelten Wand ein Stück vor ihm, die nur sporadisch zwischen den hohen Laderäumen der dicht aufeinander folgenden Lastwagen sichtbar wird, markiert den Schwachpunkt, wo das fanatisch ordentliche, gut festgezurrte Quadrat von Plastikfässern zur Detonation gebracht werden sollte. Ahmeds rechte Hand löst sich vom Lenkrad und schwebt über der tarnfarbenen Metallbox mit der kleinen Mulde, in die sein Daumen passen wird. Wenn er darauf drückt, wird er sich mit Gott vereinen. Gott wird nicht mehr so entsetzlich allein sein. Er wird dich als seinen Sohn begrüßen.
    «Tu’s», drängt ihn Jack Levy. «Ich werde einfach ausspannen. Mein Gott, was war ich müde in der letzten Zeit.»
    «Sie werden keinen Schmerz verspüren.»
    «Nein, aber andere dafür umso mehr», entgegnet der ältere Mann und lässt sich ganz tief herabsinken. Aber er kann nicht aufhören zu reden. «So hab ich mir’s nicht vorgestellt.»
    «Was vorgestellt?» Bei Ahmeds reinem, ausgehöhltem Zustand stellt sich das Echo ganz von selbst ein.
    «Das Sterben. Ich dachte immer, ich sterbe einmal im Bett. Vielleicht bin ich ja darum nicht gern dort. Im Bett.»
    Er will sterben, denkt Ahmed. Er verhöhnt mich, damit ich ihm die Tat abnehme. In der sechsundfünfzigsten Sure spricht der Prophet von dem Moment, da die Seele dem Sterbenden bis zur Kehle hochgekommen ist. Dieser Moment ist da. Die Reise, miraj. Buraq steht bereit, seine schimmernden weißen Flügel rascheln, entfalten sich. Und doch fragt Gott in derselben Sure, «Die hereinbrechende Katastrophe»: Wir haben euch geschaffen. Warum gebt ihr es denn nicht zu? Was meint ihr denn, wie es sich mit dem verhält, was ihr bei der Begattung als Samen ausstoßt? Erschafft ihr es › oder sind wir die Schöpfer? Gott möchte nicht zerstören; er war es, der die Welt geschaffen hat.
    Das Muster der Wandkacheln und der von Auspuffgasen geschwärzten Kacheln der Tunneldecke – unzählige sich wiederholende, mit zunehmender Ferne verjüngende Quadrate, wie ein

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