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Terrorist

Terrorist

Titel: Terrorist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Updike
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verschwunden. Aber bis in den Jemen zurück wird er’s nicht schaffen, das kann ich dir versprechen. Diese Burschen bleiben nicht für immer und ewig ungeschoren.»
    «Er hat mich gestern Abend besucht. Er hatte etwas Trauriges an sich. Aber eigentlich hatte er das schon immer. Ich glaube, seine Gelehrsamkeit ist stärker als sein Glaube.»
    «Und er hat dir nicht gesagt, dass das Spiel aus ist? Charlie ist gestern am frühen Morgen gefunden worden.»
    «Nein, er hat mir versichert, Charlie würde wie geplant mit mir zusammentreffen. Er hat mir alles Gute gewünscht.»
    «Er hat die Verantwortung ganz dir überlassen.»
    Ahmed hört den Hohn heraus und erklärt: «Es hängt ja auch allein von mir ab.» Er prahlt. «Heute Morgen standen zwei fremde Wagen auf dem Hof von Excellency. Ich habe gesehen, wie ein Mann mit lauter Befehlsstimme in ein Mobiltelefon gesprochen hat. Ich habe ihn gesehen, er mich aber nicht.»
    Von dem kleinen Mädchen angestachelt, drückt nun auch ihr kleiner Bruder sein Gesicht an die gewölbte Heckscheibe, und beide machen sie Glupschaugen und verzerren ihre Münder, um Ahmed zum Lächeln zu bringen, um Anerkennung zu finden.
    Mr. Levy lehnt sich in seinem Sitz zurück; entweder täuscht er Unbesorgtheit vor, oder er verkriecht sich hinter Bildern, die ihm seine Phantasie vor Augen führt. «Wieder mal so ein Pfusch im Auftrag von Onkel Sam. Womöglich hat der Matschkopf Kaffee kommen lassen oder einem Kumpel in der Zentrale dreckige Witze erzählt, wer weiß? Jetzt hör mal zu. Ich muss dir etwas sagen. Ich habe deine Mutter gebumst.»
    Die Kachelwände, fällt Ahmed auf, schimmern in einem dunklen Rosa, ein Widerschein der vielen Rücklichter, die aufleuchten, wenn die Leute wieder einmal auf die Bremse treten. Die Fahrzeuge zockeln ein paar Schritte voran, dann bremsen sie erneut.
    «Wir haben den ganzen Sommer über miteinander geschlafen», fährt Levy fort, als Ahmed nichts sagt. «Sie war phantastisch. Ich wusste nicht, dass ich mich je wieder in jemanden verlieben – dass ich die Säfte noch einmal zum Fließen bringen könnte.»
    «Ich glaube», sagt Ahmed nach einigem Überlegen, «meine Mutter ist schnell bereit, mit jemandem zu schlafen. Eine Schwesternhelferin steht auf vertrautem Fuß mit dem Körper, und sie betrachtet sich als eine befreite, moderne Frau.»
    «Also verbieg dich bloß nicht deswegen, willst du mir sagen: Es war keine große Sache. War es aber für mich. Sie hat mir die Welt bedeutet. Sie zu verlieren, ist für mich, als hätte ich eine große Operation hinter mir. Ich leide. Ich trinke zu viel. Du kannst das nicht verstehen.»
    «Nehmen Sie’s mir nicht übel, Sir, aber das verstehe ich durchaus», sagt Ahmed ziemlich hochmütig. «Nicht dass ich über die Vorstellung entzückt wäre, dass meine Mutter Unzucht mit einem Juden treibt.»
    Levy lacht – ein raues Gebell. «Hey, mal langsam, wir sind hier alle Amerikaner. So ist’s doch vorgesehen, haben sie dir das an Central High etwa nicht beigebracht? IrischAmerikaner, Afroamerikaner, jüdische Amerikaner; es gibt sogar Araboamerikaner.»
    «Nennen Sie mal einen.»
    Levy ist verblüfft. «Omar Sharif», sagt er. Wenn er weniger unter Stress stünde, würden ihm bestimmt noch weitere einfallen.
    «Kein Amerikaner. Nächster Versuch.»
    «Hm – wie hieß der noch? Lew Acindor.»
    «Karem Abdul-Jabbar», korrigiert ihn Ahmed.
    «Danke. Der war lange vor deiner Zeit.»
    «Aber er ist ein Held. Er hat gegen mächtige Vorurteile gekämpft.»
    «Ich glaube zwar, das war Jackie Robinson, aber egal.»
    «Nähern wir uns dem tiefsten Punkt des Tunnels?»
    «Woher soll ich das wissen? Irgendwann nähern wir uns allem. Der Tunnel hilft einem nicht groß bei der Orientierung, wenn man erst mal drinsteckt. Früher hatten sie auf den Seitengängen Polizisten stationiert, aber die sieht man jetzt nicht mehr. Es war wohl eine Disziplinarstrafe für sie, hierher abkommandiert zu werden, aber seit keiner mehr auf Disziplin Wert legt, haben sie’s bei den Bullen wohl auch aufgegeben.»
    Seit einigen Minuten schon geht es nicht mehr vorwärts. Hinter und vor ihnen fangen Autos zu hupen an; der Krach gleitet an den Kachelwänden entlang wie Atemluft in einem riesigen Blasinstrument. Als verschaffe ihnen dieser Halt endlos Zeit zur Muße, wendet Ahmed sich Jack Levy zu und fragt: «Haben Sie während Ihres Studiums je den ägyptischen Dichter und politischen Philosophen Sayyid Qutub gelesen? Er kam vor fünfzig Jahren in die

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