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Terrorist

Terrorist

Titel: Terrorist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Updike
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ganz recht gewesen.»
    «Keine sehr freundliche Bemerkung.»
    «Ich bin nun mal nicht wie du, Herm. So flink bin ich nicht mehr auf den Beinen.»
    «Wer redet denn da im Hintergrund? Ist jemand im Zimmer?» Immer stürzt sie sich auf die Dinge, auf eines nach dem anderen. Dennoch ist Herms fast schroffe, unverblümte Art Beth willkommen als Überbleibsel des typischen pennsylvaniadeutschen Benehmens ihrer Mädchenjahre. Die Tonart erinnert Beth an zu Hause, an den Nordwesten von Philadelphia mit seinem vielen feuchten Grün und den Lebensmittelläden an den Straßenecken, in denen es bergeweise Brot von Maier’s und Freihofer’s gab.
    «Das ist nur der Fernseher. Ich hab nach dem Klickding gesucht, um ihn abzustellen» – sie mag nicht zugeben, dass sie zu faul und schwerfällig gewesen war, um sich danach zu bücken –, «und konnte das verflixte Teil nicht finden.»
    «Na, dann geh’s mal suchen, weit kann’s ja nicht sein. Ich warte. Bei dem Gebrabbel können wir nicht reden. Was hast du dir überhaupt angesehen, mitten am Tag?»
    Beth legt das Telefon hin, ohne zu antworten. Sie klingt wie Mutter, denkt sie und schleppt sich zu der Stelle hinüber, wo die Fernbedienung – merkwürdig, dass sie dem Telefon so gleicht und sich auch ähnlich anfühlt, mattschwarz und voll gepfropft mit Schaltkreisen: zwei schlecht zusammenpassende Schwestern – auf dem blassgrünen («Schilf» hat der Verkäufer den Farbton genannt) Teppichboden liegt, die abgerundete Seite nach unten. Aufstöhnend greift Beth mit einer Hand nach der Sessellehne und mit der anderen hinunter, eine Anstrengung, die in ihren wenig geübten Muskeln die Erinnerung an eine exercise wachruft, an eine arabesque penchée, die sie mit acht oder neun in der Ballettstunde gelernt hat, in Miss Dimitrovas Studio über einem Speiselokai an Broad Street in der Altstadt; sie hebt das Ding auf und richtet es auf den Bildschirm, wo As the World Turns eben in einer Wolke von schicksalsschwerem Klingklang auf Channel Seven dem Ende entgegengeht. Beth nimmt noch wahr, dass sich Craig und Jennifer gerade in hitzigem Zwiegespräch befinden, und fragt sich noch in dem Moment, in dem sie abschaltet, was sie wohl sagen. Sie schrumpfen zu einem Lichtpunkt, der kaum eine Sekunde nachglimmt.
    Im Ballettunterricht war sie die geschmeidigere Schwester, von der man sich mehr versprach; Hermione mangelte es, wie Miss Dimitrova auf ihre verächtliche weißrussische Art zu sagen pflegte, an ballon. «Leicht, leicht», rief sie so dringlich, dass die Sehnen an ihrer hageren Kehle hervorschnellten. «Vous avez besoin de légèreté! Stellt euch vor, ihr seid des oiseaux! Ihr seid Luftgeschöpfe!» Damals war Hermione, linkisch, groß für ihr Alter und sichtlich dazu bestimmt, unscheinbar zu bleiben, der Trampel von ihnen beiden und Beth diejenige, die sich, en faisant des pointes, wie ein Vogel fühlte, wenn sie umherwirbelte, die dünnen Arme ausgebreitet.
    «Du schnaufst ja», sagt Hermione vorwurfsvoll, als Beth wieder ans Telefon kommt und sich ächzend auf den kleinen harten Stuhl fallen lässt, der vom Küchentisch hierher geraten ist, nachdem Mark aus dem Haus war und nicht mehr mit seinen Eltern aß. Der Stuhl, aus Ahorn und den Shakerstühlen nachempfunden, hat eine so kleine Sitzfläche, dass sie mit ihrem Hinterteil danach zielen muss; vor ein paar Jahren hat Beth sie einmal halb verfehlt, und der Stuhl kippte um und ließ sie auf dem Boden landen. Sie hätte sich das Becken brechen können, wenn sie nicht so gut gepolstert wäre, hatte Jack gesagt. Zunächst aber war er nicht belustigt gewesen. Entsetzt kam er herbeigerannt, und als sie ihm zu verstehen gab, dass sie sich nicht verletzt hatte, wirkte er enttäuscht. Hermione fragt nun scharf: «Es gab doch wohl keine Eilmeldung, oder?»
    «Im Fernsehen? Nein – ist denn eine zu erwarten?»
    «Nein –», ihr Zögern ist so bedeutungsschwanger wie die Pausen in den Seifenopern –, «nur sickert manchmal etwas durch. Manche Dinge dringen nach draußen, bevor sie’s sollten.»
    «Was dringt denn nach draußen?», fragt Beth, die weiß, dass sie am besten ahnungslos tut, um Hermione zum Reden zu bringen, die es juckt, sich als ihrer Schwester überlegen zu erweisen.
    «Nichts, Liebes. Ich kann natürlich nicht darüber reden.» Doch sie erträgt Beth’ Schweigen nicht und fährt fort: «Das Rauschen im Internet nimmt zu. Wir vermuten, dass sich da etwas zusammenbraut.»
    «Oje», sagt Beth brav. «Wie geht denn der

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