Tessy und die Hörigkeit der Malerin - 1
antwortete Gertrud, und ihrer Stimme war das Schmunzeln anzuhören.
Tessy lachte auf. „Wie schön, dass du anrufst! Wann können wir uns sehen?“
„Bald, sehr bald sogar. Wie sieht eigentlich deine Terminplanung für die nächsten Wochen aus?“
Tessy stutzte. „Hast du Wochen gesagt? Erzähl mir nicht, dass du so lange ausgebucht bist!“
„Quatsch! Meine Frage zielt darauf hin, ob du bereits einen neuen Auftrag in Sicht hast, nachdem dein Einstieg als Privatdetektivin ja ziemlich grandios war.“
„Ehrlich gesagt: nein“, entgegnete Tessy. „Ich habe mich allerdings auch noch nicht weiter bemüht. Die kleine Auszeit nach der Aufregung hat mir ganz gut getan – außerdem war Edgar …“
„Das weiß ich doch längst“, unterbrach Gertrud sie. „Dein Onkel macht Berlin wieder unsicher.“
„Bis eben jedenfalls. Nachdem er die alten chaotischen Verhältnisse in seinem Haus wieder hergestellt hat, ist ihm allerdings schnell langweilig geworden.“ Tessy sah auf die Uhr. „Vor ziemlich genau zehn Minuten hat er sich erneut auf den Weg nach Bayern gemacht.“
„Demnach räumst du jetzt ein paar Stunden auf, hast dann Zeit und außerdem wieder eine sturmfreie Bude?“, schlussfolgerte Gertrud.
„Ich hätte auch sofort Zeit … Worauf willst du eigentlich hinaus?“
„Nun, es könnte sein, dass dein nächster Auftrag winkt“, erklärte Gertrud. „Kennst du dich mit Antiquitäten aus?“
Tessy ließ sich in einen Sessel fallen und fuhr sich durchs Haar. „Nicht wirklich.“
„Macht nichts“, erwiderte ihre Geliebte. „Gestern ist mir in meiner Lieblingskneipe eine … na: sagen wir alte Bekannte über den Weg gelaufen, die mir auch prompt ihr übervolles Herz ausgeschüttet hat – mehr als mir lieb war, um ehrlich zu sein.“
„Du meinst: eine Verflossene?“
„So könnte man es auch sagen. Paula und ich hatten mal was miteinander – für sie war es innerhalb kürzester Zeit die ganz große Liebe, wohingegen ich …“
„Verstehe – das alte Lied.“
„Genau. Wir haben uns getrennt.“
„Und was hat die Verflossene mit Antiquitäten und einem eventuellen Auftrag zu tun?“, hakte Tessy nach.
„Paula hatte bis vor kurzem einen Job als Buchhalterin und Sekretärin bei einem Antiquitätenhändler in Schmargendorf“, berichtete Gertrud. „Ein alteingesessenes und gut gehendes Geschäft, das der jetzige Inhaber Philipp Sommer vor einigen Jahren von seinem Vater übernommen hat. Paula ist gefeuert worden, weil sie einige Unregelmäßigkeiten in der Rechnungslegung entdeckt hat. Sie ist ziemlich empört. Außerdem hat sie den Eindruck, dass in dem Laden einiges nicht mit rechten Dingen zugeht – und damit steht sie nicht allein.“
„Aha“, kommentierte Tessy lahm. „Könntest du etwas konkreter werden?“
„Nö. Aber Paula kommt morgen Abend bei mir im Laden vorbei. Ich schlage vor, dass du dich zu uns gesellst, und sie kann selbst erzählen, was los ist. Wundere dich aber bitte nicht: Sie ist ziemlich von der Rolle, zumal bei ihr familiär auch noch die Kacke am Dampfen ist – der Sohn ihrer Schwester ist verschwunden, und man vermutet Übles, weil Robin ein Junkie ist.“
„Ach du liebe Güte.“
„Genau. Du kommst also?“
„Wann genau?“
„Um acht rum. Nein: um sieben. Dann haben wir noch etwas Zeit – wenn du verstehst, was ich meine.“
„So gut wie gar nicht.“
„Hat dich dein Kommissar in letzter Zeit nicht verwöhnt?“
„Schon – er ist durchaus begabt, aber, und das bleibt hoffentlich unter uns, seine Zunge kann mit deiner nicht mal im Entferntesten mithalten.“
Gertrud lachte, und Tessy lief ein Schauer über den Rücken. Wenig später beendeten sie das Telefonat.
Tessy glaubte zu diesem Zeitpunkt nicht einen Moment daran, dass Gertruds Verflossene tatsächlich für einen neuen Ermittlungsauftrag sorgen könnte. Sie beschäftigte sich mit diesem Gedanken erst gar nicht, wohingegen die Vorstellung, am nächsten Abend mit Gertrud zusammenzutreffen und deren Qualitäten als Liebhaberin genießen zu dürfen, ihre Fantasie beträchtlich anheizte.
Den Rest des Tages schwelgte sie in Vorfreude und nutzte den Schwung für den dringend nötigen Hausputz.
Pünktlich sieben Uhr abends klingelte Tessy am Hintergang von Gertruds Motorradladen in Berlin Mitte.
„Ich bin im Bad“, hörte sie Gertrud von weitem rufen. „Unter der Dusche.“
Tessy ging durch die Werkstatt nach vorne ins Büro, von wo ein schmaler Flur abzweigte, der zu
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