Tessy und die Zärtlichkeit des Kommissars
– also eher eine Konkurrentin im Wettstreit um Informationen, bestenfalls eine Art Kollegin aus einer berufsverwandten Sparte, der man, eine Hand wäscht die andere, auch mal auf die Sprünge helfen konnte – und gab sich häufig kurz angebunden oder sogar unwirsch. Und natürlich hatte sie normalerweise bei polizeilichen Ermittlungsgesprächen nichts verloren.
Kerstin nickte. „Das sehe ich ganz ähnlich.“ Sie schlug ein Bein über das andere und legte die Hände in den Schoß.
„Wir haben inzwischen einige Ermittlungsergebnisse vorliegen“, fuhr Dirk fort. „Über die wollen wir mit Ihnen reden.“ Er zog ein Notizheft hervor. „Ihr Mann hatte Schlaftabletten genommen. Welches Medikament in welcher Dosierung erfahren wir frühestens morgen, wahrscheinlich sogar erst am Montag. Können Sie uns dazu etwas sagen?“
Tessy hielt kurz den Atem an. Die Information war neu für Kerstin. Bislang hatte es noch keine Gelegenheit gegeben, die Freundin über ihr morgendliches Telefonat mit Dirk zu informieren.
Kerstin sah ihn einen Moment stumm an und warf Tessy einen Seitenblick zu. Dann schüttelte sie den Kopf.
„Das muss ein Irrtum sein“, sagte sie mit fester Stimme. „Unmöglich. Patrick nimmt … nahm höchstens mal eine Kopfschmerztablette und Schlaftabletten noch nie. Seitdem er Alkoholprobleme hatte, ist er noch vorsichtiger gewesen, auch wenn das jetzt schon eine ganze Weile zurück liegt. Er ist … war völlig trocken.“ Sie schluckte. „Tessy kann das bestätigen – alle können das bestätigen.“
„Ja, ich weiß“, gab Hanter freundlich zurück. „Die Leute, mit denen wir bislang darüber gesprochen haben, erklären das mit großem Nachdruck, dennoch: Ein Irrtum ist ausgeschlossen. Hinzu kommt, dass die Menge erheblich war, wie eine erste gerichtsmedizinische Untersuchung inzwischen ergab, und nun drängt sich die Schlussfolgerung auf, dass Ihr Mann seinem Leben ein Ende setzen wollte.“
Kerstin riss die Augen auf. „Wie bitte?“ Sie ballte die Hände zu Fäusten. „So ein Blödsinn! Warum sollte er das tun?“ Ihre Stimme bebte plötzlich vor Zorn und Empörung.
Tessy wollte ihr beruhigend auf die Schulter klopfen, aber Kerstin schüttelte ihre Hand ab, während Miss Honigblond Sabrina Kellner dankenswerterweise ihr tumbes Lächeln abrupt einstellte. Nur Dirk zuckte mit keiner Wimper. „Das ist eine gute Frage.“
„Quatsch! Er wollte sich nicht umbringen – es gab keinen Grund! Patrick war bester Dinge. Er hatte einen neuen Job, und wir beide haben uns wieder so gut verstanden, dass wir einen Neubeginn planten …“
„Ja, ich weiß, Frau Riemer. Dennoch spricht einiges dafür …“
„Was heißt einiges?“ Kerstins Stimme schraubte sich noch weiter in die Höhe, und einen Augenblick lang befürchtete Tessy, dass sie aufstehen und Dirk irgendetwas um die Ohren hauen würde. Die Kaffeekanne zum Beispiel. Zuzutrauen wäre es ihr – Kerstin hatte ein äußerst aufbrausendes Temperament und entsprach damit der landläufigen Einschätzung, dass Rothaarige zu heftigen Ausbrüchen neigten.
„Hören Sie, Frau Riemer, es geht nicht darum, Ihnen eine schauerliche Geschichte unterzujubeln oder Sie zu verunsichern – ich gebe nur wieder, was wir vorgefunden und dazu bisher ermittelt haben“, erklärte Dirk unvermindert ruhig. „Ich habe Verständnis für Ihre Reaktion, aber ich bin nicht verantwortlich für das, was passiert ist.“
„Nein, natürlich nicht.“ Kerstin atmete tief aus und sah kurz zu Boden. Sie versuchte sich zu beruhigen. „Entschuldigen Sie, aber … Es ist so ungeheuerlich, was Sie sagen.“
Hanter nickte. „Ja, ich weiß, aber ich kann Ihnen das nicht ersparen. Machen wir weiter?“
Kerstin lehnte sich zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. „Natürlich. Fahren Sie fort.“
„Ihr Mann hatte verschiedene Unterlagen von seinem alten Arbeitgeber zu Hause, bei dem er Mitte der Woche seinen letzten Arbeitstag hatte.“ Dirk warf einen Blick in sein Notizheft. „Dienstag, um genau zu sein.“
Kerstin zuckte mit den Achseln. „Mag sein. Und?“
„Nach Einschätzung seiner Vorgesetzten hat er die mitgehen lassen, um Kunden für seine neue Firma abzuwerben.“
Tessy machte den Mund auf und rasch wieder zu, als Dirk ihr einen scharfen Blick zuwarf. Kerstin war völlig verdattert. Sie starrte ihn an und schüttelte schließlich den Kopf. „Patrick und Unterlagen klauen? Niemals! Vielleicht hatte er noch abschließende Arbeiten zu
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