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Test: Phantastische Erzahlungen

Test: Phantastische Erzahlungen

Titel: Test: Phantastische Erzahlungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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»sagen Sie uns doch bitte, Kollege Pirx, wie Sie sich in dieser Situation zurechtgefunden haben. Sie sagen doch selbst, daß Sie den Mechanismus der Erscheinung nicht verstanden …«
      »Ich weiß es nicht«, antwortete Pirx. Durchs Fenster drang der grelle Schein der sonnenerhellten Gipfel. Ihre Spitzen ragten in das dichte Schwarz des Himmels wie Knochen. »Wohl durch die Klischees. Als ich sie sah, begrif ich, daß ich sie ebenso hingeworfen hatte wie Challiers. Vielleicht wäre ich dennoch hinausgegangen, wäre nicht noch eins gewesen: Das mit den Klischees konnte natürlich ein Zufall sein, aber wir hatten zum Abendbrot Eierkuchen – genauso wie die Kanadier an ihrem letzten Abend. Und das war ein bißchen zuviel. Ich denke also, daß uns die Eierkuchen gerettet haben …«
      »Die of ene Klappe hing tatsächlich mit den Eierkuchen zusammen – die Eierkuchen trieben Sie zur Eile. Sie haben also ganz richtig überlegt, aber das hätte Sie nicht gerettet, wenn Sie der Apparatur blind vertraut hätten«, sagte Taurow. »Einerseits müssen wir der Technik vertrauen. Ohne elektronische Geräte könnten wir auf dem Mond keinen Schritt machen. Aber … Aber manchmal muß man solch ein Vertrauen teuer bezahlen …«
      »Das stimmt«, sagte Langner. Er stand auf. »Ich muß Ihnen sagen, meine Herren, wodurch mir mein Sterngefährte am meisten imponiert hat. Was mich betrif , so bin ich von diesem halsbrecherischen Spaziergang so ziemlich ohne Appetit zurückgekehrt. Aber der hier« – er legte die Hand auf Pirx’ Schulter –, »aber der hier schlug sich, nach allem, was passiert war, die Eierkuchen in die Pfanne – und aß sie alle auf. Damit versetzte er mich in Erstaunen! Denn daß er scharfsinnig ist und außerdem anständig bis zur Rechtschaf enheit, das habe ich schon vorher gewußt …«
      »Wie bitte?« fragte Pirx.

    *

    Albatros

    Das Mittagessen bestand aus sechs Gängen – wenn man von den Beilagen absah. Die Wägelchen mit Wein rollten geräuschlos über die gläsernen Stege. Über jedem Tisch brannte eine Punktlampe: bei Schildkrötensuppe zitronengelb, bei Fisch fast weiß mit bläulicher Schattierung. Die Hähnchen waren mit rosa Licht übergossen, vermengt mit einem seidig-warmen Grauton. Glücklicherweise wurde es bei schwarzem Kaf ee nicht f nster – Pirx lieferte sich den trübsinnigsten Gedanken aus. Das Mittagessen hatte ihn erschöpf . Er schwor sich, von nun an im unteren Deck zu speisen, in der Bar. Hier oben wurde entschieden zuviel Wert auf Etikette gelegt. Er mußte dauernd an seine Ellenbogen denken. Und diese Toiletten!
      Der Saal war vertief , der Fußboden lag etwa ein halbes Stockwerk unter dem der anderen Räume. Er sah aus wie ein gigantischer cremefarbener Teller, belegt mit den buntesten Appetithappen der Welt. Hinter Pirx raschelten steife, halbdurchsichtige Gewänder. Man unterhielt sich glänzend. Die Musik spielte, die Kellner bedienten – echte Kellner! Jeder einzelne wirkte wie der Dirigent eines philharmonischen Orchesters. »Unsere Transgalaktik-Linie mutet Ihnen keine Bedienungsautomaten zu, sie garantiert Ihnen intime Atmosphäre, Diskretion, echte menschliche Wärme, eine komplette lebende Besatzung – jeder einzelne ein Künstler seines Fachs …«
      Pirx trank schwarzen Kaf ee, rauchte, bemühte sich, im Saal irgendeinen Punkt zu f nden, den er f xieren konn te, einen Rastplatz für seine Augen. Seine Nachbarin gef el ihm. Ein f acher, rauher Stein hing in ihrem Dekolleté. Ein Chrysopas war es nicht, ein Chalcedon auch nicht – nichts Irdisches, wohl etwas vom Mars. Das Ding mußte ein Vermögen gekostet haben, dabei sah es aus wie ein Splitter von einem Pf asterstein. Frauen sollten nicht so viel Geld haben.

  Entrüstet war er nicht. Auch nicht erstaunt. Er sah nur hin. Allmählich wuchs das Verlangen in ihm, sich die Beine zu vertreten. Ein Spaziergang an Deck?
      Er stand auf, deutete eine kleine Verbeugung an, ging hinaus. Als er zwischen den vieleckigen Säulen dahinschritt, die mit ref ektierender Masse besetzt waren, erblickte er sein eigenes Spiegelbild – unter dem Knoten der Krawatte lugte ein Knopf hervor. Na ja, wer trägt heute noch solche Krawatten, dachte er. Im Gang brachte er den Kragen in Ordnung, setzte sich in den Fahrstuhl und fuhr zum Promenadendeck hinauf. Lautlos öf nete sich die Tür – keine Menschenseele zu sehen, nur Liegestühle in langen Reihen. Das freute ihn. Ein Drittel der gewölbten Decke glich

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