Test: Phantastische Erzahlungen
aber immerhin … Wuchs die Beschleunigung?
Er lauschte. In der Tat!
Die Triebwerke hatten einen kräf igeren Schub als vorhin. Ein gewöhnlicher Passagier hätte das nicht herausgehört, zumal der Maschinenraum der »Titan« durch vierfache Isolationswände von dem Wohnteil des Rumpfes abgeschirmt war.
Pirx suchte sich einen blassen Stern in der Ecke des Fensterrahmens aus und behielt ihn fest im Auge. Sollen sie ruhig beschleunigen, dachte er. Ich weiche nicht von der Stelle … Erst wenn der Stern dort zu zittern beginnt …
Er zitterte und glitt langsam – unvorstellbar langsam – zur Seite.
Drehung in der Längsachse! sagte sich Pirx.
Der »Titan« f og im »kosmischen Tunnel«, in dem es nichts gab, weder Staub noch Meteoriten – gar nichts, nur das Vakuum. Neunzehnhundert Kilometer vor ihm raste der Lotse, der die Aufgabe hatte, darauf zu achten, daß der Weg für den Riesen frei war. Wozu? Für alle Fälle. Die Raketen hielten sich strikt an den Fahrplan. Ein Abkommen der Vereinigten Astronavigationsgesellschaf en garantierte der Transgalaktik-Linie auf ihrem Parabelabschnitt einen störungsfreien Flug. Niemand durf e den Weg des Schif es kreuzen. Die Meteoritenwarnungen wurden sechs Stunden vorher durchgegeben – seit der Zeit, da unbemannte Sonden zu Tausenden die Transuransektoren patrouillierten, drohte den Raketen praktisch keine Gefahr mehr von außen. Der Gürtel – die Umlauf ahn einer Milliarde Meteoriten zwischen Erde und Mars – hatte einen eigenen Patrouillendienst, überdies verliefen die Raketenbahnen außerhalb der Ebene der Ekliptik, in der sich der rasselnde Gürtel um die Sonne bewegte. Ein ungeheurer Fortschritt gegenüber der Zeit, da Pirx Patrouillenf üge unternommen hatte.
Für die »Titan« bestand also nicht die geringste Veranlassung, zu lavieren – sie brauchte keinen Hindernissen auszuweichen, weil es keine gab. Und nun bog sie dennoch ab. Pirx hatte es nicht mehr nötig, zum Sternenhimmel aufzublicken, um das zu bemerken – er fühlte es mit jeder Faser seines Körpers. Er hätte ohne weiteres die Bogenkurve berechnen können, er kannte die Geschwindigkeit des Schiffes, seine Masse und das Tempo, in dem die Sterne vorüberglitten.
Etwas muß geschehen sein! dachte Pirx. Aber was?
Den Passagieren war nichts mitgeteilt worden. Ob man ihnen etwas verheimlichte? Weshalb? Die Gewohnhei ten auf Luxuspassagierschif en waren ihm fremd, dagegen wußte er, was im Maschinenraum oder im Steuerraum passieren kann. Viel war das nicht. Bei einer Havarie würde das Schif die Geschwindigkeit entweder aufrechterhalten oder herabsetzen. Aber die »Titan« …
Es dauerte nun schon vier Minuten, dachte Pirx. Das bedeutet Wendung um fast fünfundvierzig Grad. Interessant …
Die Sterne standen plötzlich still. Das Schif steuerte wieder geraden Kurs. Das Gewicht des Etuis, das Pirx noch immer in der Hand hielt, nahm zu. Sie hatten direkten Kurs und erhöhten die Geschwindigkeit. Pirx f el es auf einmal wie Schuppen von den Augen. Eine Sekunde lang saß er starr da, dann stand er auf. Auch er wog nun mehr. Die Frau mit den grauen Augen sah ihn an.
»Ist was los?«
»Nichts Besonderes, meine Dame.«
»Irgend etwas hat sich verändert. Fühlen Sie es nicht auch?«
»Das ist nichts weiter. Wir erhöhen nur ein wenig die Geschwindigkeit«, sagte er. Nun hätte er ein Gespräch beginnen können. Er sah sie an. Die Haarfarbe störte nicht. Die Frau war schön, sehr schön.
Er schlenderte übers Deck, beschleunigte seine Schritte. Sicherlich hält sie mich für einen Verrückten, dachte er. Bis zum Ende des Promenadendecks waren farbige Fresken an den Wänden. Er ging durch die Tür mit der Aufschrif ENDE DES DECKS – ZUTRITT VERBOTEN und betrat einen langen, im Lampenschein metallisch leuch tenden Korridor. Numerierte Türen. Er ging weiter, verließ sich auf sein Gehör. Über eine Treppe gelangte er in ein Zwischendeck und blieb vor einer Stahltür stehen.
EINGANG NUR FÜR STERNENPERSONAL lautete die Aufschrif . Oho! sagte sich Pirx. Schöne Bezeichnungen haben sie sich ausgedacht! Eine Klinke gab es nicht, die Tür wurde mit einem besonderen Schlüssel geöf net, den er nicht besaß. Er hob den Finger an die Nase, überlegte einen Augenblick – und klopf e.
Tap – tap – taptatap – tap – tap …
Eine Weile wartete er. Dann öf nete jemand. Ein f nsteres, gerötetes Gesicht zeigte sich im
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