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Test: Phantastische Erzahlungen

Test: Phantastische Erzahlungen

Titel: Test: Phantastische Erzahlungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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Einzelheit, jede Phase, jedes Signal zu analysieren, das Flehen um Sauerstof , das Schreien. Man darf das nicht tun, wenn man nicht helfen kann …, sagte er sich. Bleiern senkte sich der Schlaf auf ihn, er war keines Gedankens mehr fähig, nur seine Lippen formten stumm, als widerspräche er jemandem: »Nein … Nein … Nein …«
      Dann war nichts mehr.
      In völliger Dunkelheit fuhr er hoch. Er wollte sich im Bett aufsetzen, aber die festgeschnallte Decke gab nicht nach. Tastend löste er die Gurte, schaltete das Licht ein.
      Die Triebwerke arbeiteten. Pirx warf sich den Mantel über und machte ein paar Kniebeugen, um den Grad der Beschleunigung zu schätzen. Sein Körper wog gut hundert Kilo. Anderthalb g etwa, konstatierte er. Die Rakete voll führte eine Wendung, deutlich war das Vibrieren zu spüren. Die Wandschränke knackten warnend, eine Tür öf nete sich mit ärgerlichem Krächzen, Kleidungsstücke, Schuhe – alle Gegenstände, die nicht befestigt waren, rutschten in Richtung Heck, urplötzlich belebt, als verbinde sie ein geheimes Streben.
      Pirx trat an das Schränkchen des Interkoms und öf nete es. Drinnen stand ein Apparat, der einem altmodischen Telefon ähnelte.
      »Steuerraum!« rief er in den Hörer. Die Kopfschmerzen waren so hef ig, daß er beim Klang seiner Stimme zusammenzuckte.
      »Erster. Was ist?«
      »Kurskorrektur«, antwortete der Pilot wie aus weiter Ferne.
      »Wir haben eine kleine Abweichung.«
      »Wie groß?«
      »Sechs … Nein, sieben Sekunden.«
      »Was macht die Säule?« fragte Pirx vorsichtig.
      »Sechshundertzwanzig im Mantel.«
      »Und in den Laderäumen?«
      »In den Bordräumen je zweiundfünfzig, in den Kielräumen siebenundvierzig, in den Heckräumen neunundzwanzig und fünfundfünfzig.«
      »Welche Abweichung hatten wir, Munro? Wieviel sagten Sie?«
      »Sieben Sekunden.«
      »Nach schön.« Pirx warf den Hörer auf die Gabel. Er wußte, daß der Pilot log. Für eine Korrektur von sieben Sekunden hätte es nicht einer solchen Beschleunigung bedurf . Er schätzte die Kursabweichung auf mehrere Grad.
      Diese Hitze in den Laderäumen …, dachte er. Möchte wissen, was sie im Heck untergebracht haben … Etwa Lebensmittel?
      Er setzte sich an den Schreibtisch.
      »Blauer Stern« Terra-Mars an Kompo Erde – Erster Off zier an Reeder – Reaktor erhitzt Ladung – Bezeichnung des im Heck gefährdeten Ladeguts fehlt – Erbitte Hinweise – Pirx, Navigator – Ende.
      Pirx schrieb noch, als die Triebwerke bereits verstummt waren und die Schwerkraf schwand. Er drückte mit dem Bleistif auf, und das genügte, um im wahrsten Sinne des Wortes in die Luf zu gehen. Verärgert stieß er sich von der Decke ab, landete wieder im Sessel und überf og noch einmal den Text des Funkspruches.
      Er überlegte eine Weile, zerriß dann das Formular und stopf e die Fetzen in die Schublade. Die Müdigkeit hatte er verscheucht, die Kopfschmerzen waren geblieben. Anziehen wollte er sich nicht, denn das wäre bei der fehlenden Schwerkraf zu einer komplizierten Prozedur geworden, zu wankenden Sprüngen, zu einem Ringkampf mit den einzelnen Kleidungsstücken. So, wie er war, den Mantel über dem Pyjama, verließ er die Kajüte.
      Im bläulichen Licht der Nachtlampen f el einem der klägliche Zustand der Beschläge nicht so sehr ins Auge. Pirx hörte die Ventilatoren fauchen, er sah den Schmutz, der von den schwarzen Schlünden angesogen wurde wie von einem Strudel. Es war still im »Blauen Stern«, abso lut still. Pirx hing nahezu regungslos über seinem eigenen Schatten, der sich schräg an der Wand abzeichnete, er lauschte und hielt die Augen geschlossen. Es kam vor, daß Menschen in dieser Haltung einschliefen, aber das war gefährlich, denn sie konnten auf den Fußboden oder gegen die Decke geschleudert werden, sobald die Triebwerke eingeschaltet wurden.
      Pirx hörte die Ventilatoren nicht mehr, nicht einmal das Pochen seines Herzens. Ihm war, als könne er die nächtliche Stille, die im Raumschif herrschte, von jeder anderen unterscheiden. Auf der Erde spürt man die Begrenztheit der Stille, ihre Endlichkeit, ihren Augenblickscharakter. Inmitten der Monddünen aber trägt der Mensch sein eigenes kleines Schweigen mit sich herum, das im Innern des Skaphanders gefangen ist. Jedes feine und feinste Geräusch schwillt ins Riesenhaf e an – das Knirschen der Gurte, das Knacken der Gelenke, der Pulsschlag, ja sogar der Atem.

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