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Test: Phantastische Erzahlungen

Test: Phantastische Erzahlungen

Titel: Test: Phantastische Erzahlungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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… Ich bewege mich … Ich bewege mich immer bei hoher Temperatur … Ich gebe den Mäusen Wasser … Wenn sie es trinken und einschlafen, dann ist es gut … Durch zu hohe Temperatur können Störungen entstehen … Ich passe auf … Ich gehe zum Reaktor … Ich gebe den Mäusen Wasser …«
      »Du bringst den Mäusen Wasser?« fragte Pirx.
      »Ja … Terminus.«
      »Wo hast du es?«
      »Hohe Temperatur … Hohe Temperatur …«, sagte der Automat, als habe er die Frage nicht verstanden. Die ratlose Gebärde, mit der er seine Worte begleitete, wirkte so menschlich, daß Pirx stutzte. Der Roboter hob die Greifer und führte sie nacheinander an die Augen. Die gläsernen Pupillen bewegten sich, f xierten die leeren, metallischen Handf ächen und erstarrten.
      »Kein Wasser da … Terminus.«
      »Wo ist es denn?« fragte Pirx. Er beobachtete den Roboter unter halbgeschlossenen Lidern. Terminus, der ihn um Kopfeslänge überragte, gab mehrere unverständliche Laute von sich und sagte dann unverhof in tiefem Baß: »Hab ver … gessen.«
      Das klang so hilf os, daß Pirx nahe daran war, die Fassung zu verlieren. Eine Weile betrachtete er die schwankende Gestalt, dann sagte er: »Vergessen? Geh zum Reaktor. Aber komm wieder, hörst du?!«
      »Ich höre.«
      Terminus machte rasselnd kehrt und stapf e mit unsagbar steifen, greisenhaf en Bewegungen davon. In der Perspektive des langgezogenen Korridors wirkte er viel kleiner als vorhin. Pirx sah, wie er über eine Stufe stolperte, mit den Armen ruderte, mühsam um Gleichgewicht rang und schließlich in einem Quergang verschwand. Es dauerte eine Weile, bis das Echo seiner Schritte verhallte.
      Pirx wollte umkehren, aber er überlegte es sich anders. Dicht über dem Fußboden dahingleitend, erreichte er den sechsten Ventilationsraum. Er wußte, daß es auch bei abgeschalteten Triebwerken verboten war, sich in den Schächten zu bewegen, aber er scherte sich nicht darum. Kurz entschlossen stieß er sich vom Geländer ab und landete wenige Augenblicke danach im Heck – innerhalb zehn Sekunden hatte er sieben Etagen passiert. Die Atomkammer betrat er nicht. An der Wand, etwa in halber Höhe, entdeckte er ei nen länglichen Riegel. Er schwamm heran, schob den Riegel zurück, öf nete eine schmale Tür. Ein Fenster aus Bleiglas kam zum Vorschein, es war in Stahl gefaßt und bildete die Rückwand des Mäusekäf gs. Durch diese Scheibe konnte man die Tiere beobachten, ohne die Kammer betreten zu müssen. Pirx erblickte den Käf g – er war leer. Jenseits des Drahtgitters schimmerte im hellen Lampenschein der tropfnasse Rücken des Roboters, er hing fast senkrecht im Raum, die Arme bewegten sich träge. Terminus versuchte, die weißen Mäuse einzufangen, die sich auf seinem Metallrumpf häuslich niedergelassen hatten. Sie huschten über die Schulterbleche, krabbelten über den Brustpanzer, rotteten sich an den Vertiefungen des vielgliedrigen Bauches zusammen, wo sich Wasser angesammelt hatte, leckten es gierig auf, purzelten durcheinander … Terminus war eifrig damit beschäf igt, die Tierchen einzufangen, die ihm immer wieder durch die Finger schlüpf en. Ihre Schwänzchen verhedderten sich, ringelten sich zu wunderlichen Arabesken – all das war so eigenartig, so komisch, daß Pirx von einem unwiderstehlichen Lachreiz gepackt wurde.
      Nach und nach gelang es Terminus, die Mäuse einzufangen. Jedesmal, wenn er ein paar von ihnen in den Käf g warf, näherte sich sein maskenhaf es Gesicht dem Fenster, aber er schien das Augenpaar hinter der Scheibe nicht zu bemerken. Zwei, drei Mäuse schwebten noch im Raum. Endlich wurde Terminus auch mit ihnen fertig, er verschloß den Käf g und entfernte sich. Pirx sah nur noch seinen übermenschlichen Schatten, der über die Betonwand des Reaktors glitt.
      Vorsichtig schob er die kleine Tür zu und kehrte in die Kajüte zurück. Er zog sich aus, legte sich hin, fand aber keinen Schlaf. Unschlüssig grif er nach dem Tagebuch des Astronavigators Irving, legte es jedoch nach kurzem Blättern wieder beiseite – die Augen brannten ihm, als habe jemand feinen Sand hineingestreut. Hellwach, aber mit brummendem Schädel, dachte er verzweifelt an die vielen Stunden, die ihn noch vom Tage trennten. Er warf sich den Mantel um und verließ die Kajüte.
      Dort, wo der Hauptkorridor den Bordgang kreuzte, hielt er inne – ein Stampfen drang aus dem Ventilationsschacht. Er preßte das Ohr ans Gitter und lauschte. Die

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