Teufel - Thriller
Scaglietti vom Vatikan wäre dran«, gab Graziano erstaunt zurück.
»Das wünschst du dir nicht, glaube mir«, erwiderte Bertucci düster. »Wie auch immer, für alle Welt hat ein Scaglietti angerufen, wenn du gefragt wirst. Du oder deine Sekretärin.«
»Was ist los? Irgendetwas stimmt nicht, ich kenne dich doch. Willst du es mir nicht sagen?«
»Nein«, gab der Advocatus Diaboli zurück. »Ich muss dich sehen, so schnell wie möglich. Ich brauche deine Hilfe als Historiker und Kirchenwissenschaftler. Deine Mutter hat mir erzählt, dass du wieder in Bologna bist. Seit wann?«
»Seit kaum zwei Wochen, nachdem meine Forschungsarbeit in Cambridge zu Ende ging und ich langsam, aber sicher Heimweh nach Italien bekam. Aber bist du nicht in Rom?«
»Ich bin nirgendwo und überall«, wehrte Bertucci ab. »Hast du heute Abend Zeit? Es wird zwar etwas später werden, aber wir könnten gemeinsam essen und dann könntest du mir ein Nachtlager anbieten.«
»Mit Vergnügen«, antwortete Graziano, »das Haus ist leer, Elena und die Kinder sind bei meiner Mutter in Como. Ich habe mich seelisch schon auf einen Abend mit einem der anspruchsvollen Berlusconi-Hupfdohlen-Programme im Fernsehen vorbereitet. Du kommst also gerade recht.«
Bertucci blickte auf die Uhr. »Gib mir etwa vier Stunden… Ach was, weniger… Wir treffen uns um halb neun Uhr in der kleinen Bar auf der Piazza Giuseppe Verdi, in der Nähe der Universität für Alte Geschichte. Erinnerst du dich?«
»Aber sicher doch. Der Hauswein ist hervorragend. Solltest du später kommen, warte ich auf dich«, antwortete Graziano, »und wenn ich betrunken bin, ist es deine Schuld.«
»Abgemacht«, lächelte Bertucci. »Und noch etwas. Niemand, aber auch gar niemand darf erfahren, dass ich in Bologna bin. Hast du mich verstanden? Ich habe nie angerufen.«
»Du bist in viel größeren Schwierigkeiten, als ich dachte«, erwiderte sein Neffe leise. »Aber mach dir keine Sorgen. Scaglietti wollte wissen, was er dir zum Geburtstag schenken sollte.«
»Perfekt, das hätte ich mir nicht besser ausdenken können«, gab Bertucci zu. »Salve und bis später.« Damit legte er auf und startete den Audi.
Breitensee, Wien/Österreich
P aul ließ sich in seiner Remise auf das große Ledersofa fallen. Seine Gedanken drehten sich nach wie vor um Caesarea und die 666. Was hatte den Mossad oder den Geheimdienst des Vatikans so nachhaltig alarmiert, dass sie sofort ein Team nach Unterretzbach schickten und selbst vor einem Mord nicht zurückschreckten? Denn inzwischen zweifelte Paul keine Sekunde an der Tatsache, dass der Mord an Pfarrer Wurzinger auf das Konto eines der Geheimdienste ging.
Der Reporter griff nach seinem Handy und versuchte Valerie zu erreichen, landete aber nur auf ihrer Mailbox. Georg Sina war auch noch immer verschollen oder hatte in einem Anfall von Kommunikationsverweigerung sein Handy zerstört. Der dritte Anruf Wagners galt einem Informanten bei der Polizei, dem er kurz über den brennenden Beichtstuhl in Schöngrabern erzählte und ihn bat, weitere Details herauszufinden.
Seine Anrufe bei Berner, Eddy und Burghardt endeten ebenfalls im elektronischen Postfach. »Irgendwie hab ich heute kein Glück bei meinen Freunden«, murmelte er frustriert, leerte seinen Kaffee und öffnete seinen Laptop. Dann begann er, einen weiteren Artikel über die neuesten Entwicklungen in Unterretzbach zu schreiben.
Als er schließlich mit den letzten Zeilen fertig war und auf »Senden« drückte, warf die Sonne bereits lange Schatten. Die Blätter der Bäume um seine Remise, die Wagner durch das Glasdach sehen konnte, glänzten in orangefarbenem Licht vor einem tiefblauen Himmel.
Paul stand auf und ging zum Küchenblock, um sich eine Cola zu holen. Zeit für einen ersten Überblick, dachte er sich. Wir schreiben das Jahr 1945. Zwei deutsche Soldaten auf dem Weg in den Süden kamen nach Unterretzbach. Mit dem Motorrad? Mit dem Zug, der eines Tages verlassen auf dem kleinen Bahnhof stand? Wer waren sie, von wo genau kamen sie und woher hatten sie so viel Geld? Wie sie im Kriegerdenkmal geendet waren, das hatte sich in der Zwischenzeit aufgeklärt. Aber warum war diese alte Geschichte nach so langer Zeit ganz plötzlich interessant geworden?
Nachdenklich wanderte Paul ziellos durch die Remise und grübelte. Die 666 war eine Warnung, daran gab es keinen Zweifel. Das Team im blauen Volvo wollte die letzten Augenzeugen beseitigen. Reiter war bereits tot, hatte sich in Panik die
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