Teufel - Thriller
Pulsadern aufgeschnitten. Wurzinger hatte ihnen sicherlich alles erzählt, die Geschichte der zwei toten Soldaten und wer noch daran beteiligt gewesen war. Deshalb waren die vier Männer kurz darauf schon bei Maurer im Hof aufgetaucht, mit gezogener Waffe.
Sein Handy läutete, und Paul eilte mit großen Schritten zur Sitzgarnitur und nahm das Gespräch an.
»Hallo, Herr Wagner! Dr. Völker hier. Es ging doch etwas schneller, als ich vermutet hatte, aber ich muss auch zugeben, dass mir ein wenig das Glück hold war.« Die Wissenschaftlerin lachte leise. »Andererseits, wenn man bereits so lange Kriegstagebücher durcharbeitet wie ich, dann verdient man sich das wenige Glück hart genug.«
»Erst einmal danke für Ihren Rückruf«, antwortete Paul, »ich habe gerade über die beiden toten Soldaten nachgedacht. Das muss Gedankenübertragung gewesen sein.«
»Die beiden haben jetzt einen Namen«, stellte Völker fest, »und ich habe auch ein wenig mehr über ihre letzten Tage herausgefunden. Oberleutnant Gustav Richter und Feldwebel Günther Walkowski gehörten zum Ersten Grenadier-Regiment 178, oder besser gesagt zu dem, was davon noch übrig war. Sie kamen aus Ungarn, wurden von den Russen zurückgedrängt, immer weiter westlich. Wenn Sie so wollen, hat die Rote Armee die versprengten deutschen Soldaten vor sich hergetrieben. Ich denke, Richter und Walkowski hofften, in amerikanische Kriegsgefangenschaft zu geraten. Das hätte ihnen auch gelingen können, wie zahlreichen anderen. Ich habe hier einen Report gefunden, der ganz gut den Weg und die Auflösungserscheinungen bei der 8. Armee beschreibt. Hören Sie kurz zu:
1.4.45: Heeresgruppe Süd – Ungarn sind übergelaufen und kämpfen aufseiten des Feindes weiter, Verbindung zum Plattensee abgerissen, der Feind durchbrach an fünf Stellen die eigene Front … Neusiedler See wurde preisgege ben … Westlich bedroht Gegner Wien von Süden. In Ödenburg Straßen kämpfe …
2.–6.4.45: Scharfes Nachdrängen des Feindes zwischen Drau und Raab, Druck auf den Raum beiderseits der Wiener Neustadt und Abdrängen der eige nen Kräfte von der Leitha … Die 8. Armee steht weiterhin bei Neusohl unter Druck
7.4.45: Bei der 8. Armee Bildung von Brückenköpfen und Einbrüche.
8.4.45: Bei der 8. Armee weiter starker Druck, Gegner konnte vier Brücken köpfe über die March bilden, bei Lundenburg wurde er abgewiesen, im Waag-Tal örtliche Kämpfe
9.4.45: Nördlich der Donau Erweiterung des March-Brückenkopfes nach Westen. 10.–12.4.45: Die 8. Armee wurde in eine Sehnenstellung zurückgenommen. Von Wien bis March Kämpfe im Brückenkopf Lundenburg.
… 12.–14.4.45: Bei der 8. Armee verschärft sich die Lage, der Feind kam bis zur Straße Wien–Lundenburg. Von der March und bei Lundenburg setz ten sich eigene Kräfte weiter ab.
Das heißt nichts anderes, als dass ab dem 12. April alles in Auflösung war. Im Lexikon der Wehrmacht wird beschrieben, dass die 76. Infanterie-Division 1945 in Deutschbrod in Tschechien in Gefangenschaft geriet. Teile des Grenadier-Regiments 178 waren ebenfalls dabei. Also müssen Walkowski und Richter in Deutschbrod gewesen sein, ich schätze einmal um den 14. April 1945.«
Völker machte eine Pause. »Sind Sie noch da?«, fragte sie dann.
»Ja, natürlich«, gab Paul zurück, »ich mache mir nur Notizen. Bitte erzählen Sie weiter.«
»So weit also zu den offiziellen Berichten. Was wissen Sie von Deutschbrod?«
»Gar nichts, um ehrlich zu sein«, gab der Reporter zu.
»Der Ort heißt heute Havličkův Brod, ein Bahnknotenpunkt, eine Kleinstadt mit damals etwa 15000 Einwohnern«, setzte Völker fort, »Spinnereien, Strickereien, Textilindustrie, nichts Besonderes. Aber Ende des Krieges Endstation für einige Hundert Soldaten. Und jetzt kam mir das Glück zu Hilfe.«
Wagner horchte auf. »Spannen Sie mich nicht auf die Folter«, meinte er ungeduldig. »Ich finde es ja schon bemerkenswert, was Sie alles in dieser kurzen Zeit in Erfahrung bringen konnten.«
»Als ich Deutschbrod las, erinnerte ich mich an ein Tagebuch, das mir vor Monaten in die Hände gefallen war. Ich gestehe, damals sah ich es als eines unter vielen, auch wenn mir die Einträge gegen Ende des Krieges etwas seltsam vorkamen. Ich las mir also die betreffenden Stellen noch einmal durch. Ein Angehöriger der 76. Infanterie-Division beschreibt darin die letzten Tage vor der Gefangennahme durch die Russen. Er war auch bis Deutschbrod gelangt, in die Nähe des Bahnhofs, und
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