Teufels-Friedhof
alles richtig gemacht zu haben. Unter diesem alten Zechengelände mußte es versteckt liegen. Für ihn gab es keine Möglichkeit; geirrt hatte er sich bestimmt nicht. Aber die Magie ließ sich Zeit.
Minuten reihten sich aneinander, wurden schnell zu einer Viertelstunde, die, wenn jemand in der eisigen Kälte wartete, ebenfalls sehr lange werden konnte.
Es blieb nicht bei dieser Zeit. Die Magie wollte nicht so, wie der Mann es wollte, so kam es dazu, daß weitere Minuten vergingen und eine halbe Stunde dabei herauskam.
Der junge Mann hatte allmählich das Gefühl, auf der vereisten Motorhaube festgefroren zu sein. Er trug zwar eine dicke Hose, aber die Kälte fand immer einen Weg. Sie drang durch bis auf die Haut und ließ diese fast anfrieren.
So wartete er weiter, den Blick über das Gelände gerichtet, das er verseucht hatte.
Klar stand der Mond am Himmel. Sein dunstiger Kreis hatte sich verflüchtigt, deshalb wirkte er wie gemalt. Er konnte seine Energie ungebremst der Erde entgegenschicken.
Die Energie des Mondes. Sie war ungemein wichtig für die sich abzeichnenden Umwälzungen, denn daß sich etwas tun würde, daran bestand kein Zweifel.
Und es geschah…
Der Mann rutschte nach vorn, als er die Anfänge des unheimlichen Vorgangs sah. Seine Augen weiteten sich, das verfrorene Gesicht strahlte plötzlich. Eröffnete den Mund, atmete schneller. Man sah es an zerfasernden Atemfahnen.
Über dem Gebiet, das er mit dem Blut verseucht hatte, entstand ein feiner Dunst. Die dünnen Schwaden krochen genau dort aus der Erde, wo das Blut seinen Einlaß gefunden hatte.
Die Schwaden kamen ihm vor wie lange Arme, die überall hingriffen, aber nichts erreichen konnten. Und sie breiteten sich aus, allerdings nur bis zu einer unsichtbaren Grenze.
Der Mann wußte genau, wie lange er abzuwarten hatte. Das alles hatte er nachlesen können, er war genau informiert, aber auch sehr aufgeregt. Dann war es geschafft!
Nichts kam mehr nach. Die Schwaden, die aus der Tiefe gekrochen waren, blieben stehen und bildeten auf dem alten Zechengelände ein großes Viereck, als wollten sie genau den Teil vor irgendwelchen Angriffen schützen.
Der Mann war zufrieden. Er wirkte wie auf dem Sprung, setzte sich jedoch nicht in Bewegung und wartete darauf, daß sich etwas ereignete. Es war für ihn mehr zu fühlen, als zu sehen. Hinter der Nebelwand hatte sich die Szenerie verändert. Da war etwas entstanden, nicht genau zu sehen, nur mehr zu ahnen, aber der einsame Beobachter wußte genau, daß er es richtig gemacht hatte.
Plötzlich überkam ihn eine gewaltige Nervosität. Er spürte die eisige Kälte nicht mehr. Sein Blut schien schneller durch die Adern zu fließen. In seinem Innern fanden Reaktionen statt, die sogar Hitze durch die Adern strömen ließen.
Seine Knie zitterten, die Arme ebenfalls. Er zwinkerte mit den Augen und traute sich noch nicht, auf die Nebelwand zuzugehen. Erst als sich die dahinterliegenden Schatten stärker abzeichneten und nicht mehr ineinanderflössen, da gab er sich einen Ruck und schritt mit langsamen Schritten auf die dichte Dunstwand zu.
Er ging nicht freiwillig so vorsichtig. Irgendwo steckte in ihm noch ein Rest von Furcht, den er erst überwinden mußte, um die neue Welt zu betreten.
Durch den Nebel schritt er wie durch einen Vorhang. Der dort stehende Dunst kam ihm vor wie ein klebriges Gebräu von Spinnweben, das über seine Gesichtshaut streifte.
Sie hielt ihn fest, sie sorgte dafür, daß ihm bewußt wurde, welch eine Welt er betreten würde.
In seinem Nacken kribbelte es. Der Magen schien plötzlich doppelt so schwer zu sein.
Starr schaute er nach vorn, ohne allerdings etwas erkennen zu können. Der Dunst hielt auch sein Blickfeld gefangen.
Dann erst konnte er sehen.
Mit einer fahrigen Bewegung strich er über die Augen, weil er die Szene nicht glauben wollte, obgleich er sie tief in seinem Innern erhofft hatte. Auf diesem Gelände standen alte Platten und Grabsteine. Im Hintergrund sah er eine Ruine. Große Löcher waren in einer Außenwand zu erkennen.
Links neben ihm lag eine alte Grabstätte etwas erhöht. Das Grab selbst wurde von einem Gitter umgeben.
Er starrte sich fast die Augen aus dem Kopf, leise und glucksend, bevor er weiterging und diesen unheimlichen Teufels-Friedhof durchschritt. Er spürte, daß es kein normaler Friedhof war, der aus der Tiefe gestiegen war. Über ihm lag nicht nur der Hauch der Kälte, ihm wehte auch der Atem einer anderen, unheilvollen Welt entgegen,
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