Teufels-Friedhof
ein neues Image zugelegt. Punker sein war out. Jetzt waren sie die Grufties, die unheimlichen Gestalten, die sich am Wochenende mit den furchtbaren Dingen amüsierten, die normale Menschen einfach abstieß.
Zu dieser neuen Gruftie-Generation gehörte auch die schwarzhaarige Vivian. In der Woche arbeitete sie in der Dortmunder Innenstadt in einem Büro, wo sie die Klienten ihres Anwalts empfing, bei dem sie beschäftigt war. Da sah sie nett und adrett aus, wie es der Chef eben verlangte. Hätte er seine Vivian jedoch am Wochenende erlebt, er wäre sicherlich vom Glauben abgefallen, so sehr veränderte und verwandelte sie sich. Das von Natur aus schwarze Haar bekam durch den dunklen Lack einen fast unheimlichen Glanz. Vivian liebte die Farbe Schwarz. Helle Farben mochte sie dagegen überhaupt nicht, auch kein aufdringlich grelles Licht. In ihrem Bad war es fast duster.
Dennoch stand sie vor dem Spiegel, nur mit einem dünnen, schwarzen Höschen bekleidet, dessen Rand tief unter dem Bauchnabel endete, wobei auf der Vorderseite noch ein bleicher Totenschädel aufgedruckt war.
Vivians Körper besaß keine Idealmaße, aber sie war eine Person, die Sex verströmte. Ihr Busen war rund und fest. Da sie beim Gehen den Rücken stets durchdrückte, hüpfte er provozierend auf und nieder. Dicht unter der linken Brust befand sich eine kleine Tätowierung, eine blaugrüne Teufelsfratze.
Tattoos nannte man diese sehr modern gewordenen Tätowierungen, die sich bei Frauen und Männern an den verschiedensten Körperstellen oftmals zeigten und davon berichteten, welche Lebensauffassungen die entsprechenden Personen besaßen.
Bei ihr war es der Teufel.
Und nicht allein bei ihr. Alle, die zu den Grufties gehörten, liebten den Teufel.
Sie fanden ihn unheimlich erotisch und gaben sich ihm voll und ganz hin. Gruftie-Vivian schminkte sich gerade, wollte sich für den Abend so richtig zurechtmachen.
In der Berliner oder Münchner Szene wäre sie als Gruftie neben irgendwelchen ausgeflippten Typen kaum aufgefallen. Das war im Ruhrgebiet anders. Die Mitglieder ihrer Gruppe hatten auch keine teuren Luxusbuden, sie hausten zumeist in kleinen Sozialwohnungen, falls sie nicht noch bei ihren Eltern lebten, die von dem Hobby ihrer Sprößlinge meist nichts wußten.
Vivian hatte das Elternhaus verlassen. Sie war schließlich seit zwei Jahren volljährig. Besonders ihrem Vater hatte es nicht gepaßt. Viel zu oft für ihren Geschmack rief er bei ihr an und erkundigte sich nach ihrem Wohlergehen.
Nur gut, daß die Bude hier ihrem Partner Heinz gehörte, der auch Gruftie-Heino genannt wurde.
Sollte Vivians Vater mal anschellen, so würde er den Alten bestimmt nicht reinlassen. Das war auch besser so, der würde einen Schlag bekommen, wenn er die Wohnung sah.
Vivian machte sich weiter zurecht. Auf dem kleinen Bord unter dem Spiegel standen ziüilreiche Farbtöpfe und kleine Tiegel, alle gefüllt mit anderen Farben, zumeist dunkle Töne, schwarz, grau und violett, die Vivian nicht nur auf ihrem Gesicht verteilte, sondern sich auch ihren Körper damit anmalte.
Sie genoß es, wenn sie mit dem kleinen Pinsel über die Haut streichen konnte. Oft genug bekam sie einen Schauer, der sich als Gänsehaut von der Stirn her abwärts bis zu ihren Zehenspitzen ausbreitete. Es war für sie ein wunderbares Gefühl, sich am Wochenende für den Teufel zu richten, wie sie es nannte, und sie wollte es einfach nicht missen. Solange sie lebte, würde sie ihm gehören und alles für ihn tun.
Auf die Stirn zeichnete Vivian ein schwarzes Dreieck und darunter ein verkehrt hängendes Kreuz.
Das Mädchen besaß sanft geschwungene Lippen, die sie zu einem dämonischen Lächeln in die Breite zog. Lange genug hatte sie dies vor dem Spiegel geübt und festgestellt, daß sie mit dieser Art zu lächeln am meisten Wirkung erzielte.
Ihre Kleidung lag neben der alten Badewanne auf einem Hocker. Auf weitere Unterwäsche verzichtete sie. Statt dessen streifte sie die schwarze Lederjacke über mit den beiden hellen Streifen in den Ärmeln. Auch in die ebenfalls dunkle Hose stieg sie, und ihre Schuhe liefen vorn fast so spitz zu wie Messer. Diese Dinger hatte man mal vor fünfundzwanzig und mehr Jahren getragen; sie waren wieder modern geworden und beliebt bei ihnen. Sie schnürte sie zu, richtete sich auf und griff zur Bürste.
Die lange, naturschwarze Haarflut kämmte sie sich so, daß sie das linke Ohr bedeckte, das rechte allerdings frei ließ. Damit die Frisur wenigstens
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