Teufels-Friedhof
gleichzeitig auch wie eine Klammer, denn sie versperrten einen Fluchtweg.
Für sie gab es nur die Flucht nach vorn, aber dort stand Heinz und lauerte.
Sie sprang vor. Es war bei ihr wie eine Explosion der Gefühle. Vivian wollte einfach nicht mehr bleiben, und sie überraschte Heinz damit. Bevor dieser die Klinge hochgerissen und sie auf seine Freundin hatte richten können, fiel ihm Vivian in den rechten Arm und wuchtete ihm ihren Kopf gegen das Gesicht.
Heinz fing an zu schreien. Er taumelte zurück; der Treffer gegen das Gesicht hatte Tränen in seine Augen schießen lassen, und er fing an, mit der Messerklinge zu fuchteln.
Hastig bewegte erden rechten Arm. Vivian, die nicht achtgab, spürte an ihrer Wange einen bösen Schmerz, als hätte man ihr dort die Haut aufgerissen.
Dieses Gefühl warnte sie. Es war wie der Ruf eines Alarmweckers. Wenn sie nicht wegkam, sah es schlecht für sie aus. Und so rannte sie.
Aus der Wunde an der linken Wange floß das Blut. Sie ärgerte sich darüber, daß sie ihren Vater hatte zurücklassen müssen, aber sie würde wiederkommen und ihn retten.
Dann aber nicht allein, denn die Polizei sollte sie unterstützen. Sie mußte diesem Höllenspuk ein Ende machen. Es war einfach schlimm, was die Grufties taten.
Hinter sich hörte sie keinen Lärm. Nur die scharfen Befehle des roten Teufels, der wollte, daß Vivian wieder eingefangen wurde. Sie hoffte auf die Dunkelheit und auch auf den Nebel. Er würde dafür sorgen, daß sie sich verstecken konnte.
Geduckt hastete sie weiter, den Mund aufgerissen und die beißende Kälte auf ihrer geröteten Gesichtshaut spürend.
Der Friedhof war keine Rennbahn, nicht glatt und mit einer sicheren Unterlage bedeckt.
Kleine Hügel, Wellen, tote Ratten, dazwischen die Gräber mit den Steinen. Auch Risse zeichneten auf dem Boden ein Muster. Aus manchen kroch feiner Rauch, als würde es in der Tiefe brennen. Sie lief und weinte.
Es fiel Vivian nicht einmal auf, daß sie ihre Beine so ruckartig bewegte. Sie tat es automatisch, den Kopf in den Nacken zurückgedrückt, den Mund noch immer weit geöffnet und die Arme als kleine Wolken in die Finsternis stoßend.
Dann sah sie den Nebel und damit auch das Ende dieses verdammten Geländes.
Die Rettung?
Sie warf sich förmlich in ihn hinein, als bestünde er aus Armen oder Händen, die sie auffangen konnten.
Plötzlich waren zwei Hände da. Sie hielten das Mädchen fest. Die Überraschung wurde bei Vivian zu einem Schock. Sie konnte nicht einmal schreien, nur ein schluchzender Laut drang über ihre Lippen, dann gaben ihre Beine einfach nach…
***
Die Hände gehörten mir!
Wie eine geisterhafte Gestalt war das junge Mädchen plötzlich erschienen. Es hätte mich einfach umgerannt, hätte ich nicht so rasch zugepackt. Suko und Kommissar Berger standen nicht weit entfernt. Auch sie hatten trotz der schlechten Lichtverhältnisse die Veränderung mitbekommen. Erstaunt schauten sie sich an. Ich hatte Mühe, die Kleine zu halten, denn ihre Beine gaben nach. Ich stützte sie ab, sah das Blut in ihrem Gesicht. Es stammte aus einer Wunde an der Wange. Mit einem nahezu irren Blick schaute mich die Kleine an.
»Sie ist ein Gruftie«, sagte Jörg Berger. Er nickte dabei. »So sehen sie alle aus.«
»Weshalb ist sie geflohen?« fragte Suko.
Verfolgt wurde sie anscheinend nicht. Wir hörten zwar Stimmen, sahen aber keine Gestalten in den Nebel eintauchen.
»Frag sie, John.«
Ich schaute Suko an. »Komm, hilf mir.« Es kam auf ein paar Sekunden mehr oder weniger nicht an. Wir zerrten sie zur Seite und hielten sie gemeinsam fest.
Ich sprach beruhigend auf sie ein. Das Mädchen mußte mich verstehen, schüttelte aber den Kopf und weinte dabei. Wenigstens hatte die Kleine eine Reaktion gezeigt.
Dann redete Jörg Berger. Er erkundigte sich mit sehr ruhiger Stimme nach dem Namen.
»Vivian!« hörten wir.
»Wovor hast du Angst, Vivian?«
»Sie sind da. Sie sind alle da. Die Grufties warten auf dem Friedhof, auch der rote Teufel und Heinz, mein Freund. Er wollte mich töten, er hatte ein Messer.«
»Warum?«
Vivian redete ins Leere. Sie schien uns überhaupt nicht wahrzunehmen.
»Ich sollte meinen Vater umbringen. Sie wollten sein Blut für den Teufel, ja, sie…«
»Ist er tot?«
»Nein, ich konnte es nicht.« Sie fing an zu weinen. Währenddessen sprudelte es aus ihr hervor. Wie ein Sturzbach brachen die Wortkaskaden aus ihrem Mund, und wir, drei staunende Männer, hörten eine schlimme
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