Teufels-Friedhof
hieven und auf die Graberde zu drücken.
Wieder wehrte sich Golombek. Er trampelte mit den Füßen, dann kippte er über das Gitter und blieb rücklings auf dem Grab liegen. Sofort faßten Hände durch die Lücken zwischen den Stäben. Sie erwischten die Hand-und die Fußgelenke des Mannes und begannen damit, sie an den Stäben festzubinden.
Vivian hielt sich im Hintergrund auf. Sie machte nicht mit. Auch Heinz stand bei ihr. Er grinste irre.
»Na, was sagst du dazu?«
»Nichts.«
»Freut es dich denn nicht, daß bald der Meister erscheinen wird? Oder denkst du an deinen Alten?«
»Nein.«
»Doch, du hängst an ihm, das sehe ich dir an. Aber du weißt auch, was Frank gesagt hat. Soll ich es noch einmal wiederholen?«
»Nicht nötig.«
»Dann wirst du es tun? Wirst du deinen Alten umbringen, damit sein Blut diese Erde tränkt?«
»Das werde ich auch!«
Heinz lachte meckernd. »Da bin ich mal gespannt. Weißt du eigentlich, was denen geschieht, die sich den Befehlen der Hölle widersetzen, die kneifen?«
»Nein, aber ich kann es mir denken.«
Er faßte Vivian an, die vor ihm zurückwich. »Hör auf, du scharfer Hund.«
Gruftie-Heino ließ sich nicht beirren. »Diejenigen, die sich widersetzen, sind selbst dran. Die werden gekillt. Dein Blut, Süße, wird hier im Boden versickern.«
Vivian sagte nichts. Sie warf mit einer wütenden Bewegung ihr Haar zurück und schaute zum Grab hin, wo ihr Vater lag. Drei Fackeln waren noch heil. Sie wurden von den Grufties geholt und neben dem Grab in die Erde gerammt, die auf diesem Friedhof nicht gefroren, sondern weich und nachgiebig war.
Der rote Teufel hatte die Fesseln überprüft und trat zufrieden nickend zurück. Dann drehte er sich von den Grufties weg, um nach Vivian zu suchen. Sie spürte dies instinktiv und versteifte sich. Auf einmal wünschte sie sich weit weg, aber Frank hatte sie schon entdeckt.
»Komm her, Vivian. Zeig uns, wie sehr du den Teufel liebst. Na komm schon.«
Es war die Sekunde der Entscheidung. Ging sie hin, blieb sie stehen, weigerte sie sich?
Vivian sah, daß ihr die anderen eine Gasse schufen, und sie kam sich vor wie beim Spießrutenlauf. Es gab kein Gesicht, das ihr nicht zugewandt war.
Sie schielte in die bleichen Flecken hinein, sah geschminkte Münder und dunkel nachgezeichnete Augenbrauen. Die Grufties trugen verschiedene Kleidungsstücke. Die Farben Schwarz oder Grau jedoch machten sie alle irgendwie gleich.
Jeden Namen aus der Gruppe kannte sie. Ob sie nun Stefan, Oliver, Klaus, Marion oder Jeanette hießen. Sie spürte Kälte in ihrer Brust, als wäre das Herz zu Eis geworden.
Die Köpfe nickten ihr zu. Kein Leben lag auf den Gesichtern. Wie die Köpfe von Toten wirkten sie. Es roch nach Grab, Erde und verfaulten Tierkörpern.
Manchmal spürte Vivian unter ihrer Sohle den weichen Druck einer toten Ratte. Hinter sich vernahm sie ebenfalls Schritte. Sie wußte, daß ihr Heinz folgte, bestimmt wollte er ihr den Rückzug abschneiden. Die anderen flüsterten ihr aufmunternde Sätze zu.
»Du schaffst es schon, Vivian.«
»Toll, daß man dich ausgesucht hat.«
»Ich hätte es auch gern getan.«
»Der reufei wird dich ehren.«
»Du wirst für ihn etwas Besonderes sein.«
Die einzelnen Sätze vereinigten sich in ihren Ohren zu einem dumpfen Gemurmel. Dabei wollte sie sich zurückziehen, sie hätte es gern einem anderen überlassen, aber sie sah auch den zwingenden Blick des roten Teufels. Franks Augen hatten sich verändert. Zwar war sein Gesicht von den Schlägen gezeichnet, in den Augen jedoch loderte ein Feuer, das nicht von dieser Welt stammte. Vivian hatte den Eindruck, als wäre ein Teil des Teufels in den jungen Mann hineingefahren. Seinen Mund hatte er in die Breite gezogen. Die Lippen wirkten so unbeweglich, als wären sie erstarrt.
Vor ihm blieb sie stehen. Er nickte ihr zu und begann mit zischender Stimme zu sprechen. »Wir alle freuen uns, daß du es tun willst. Und am meisten freut es den Teufel. Wenn das Blut eines Menschen den Friedhof hier färbt, dann erst werden die höllischen Kräfte richtig erwachen, das kannst du mir glauben.«
Sie hörte zu und warf gleichzeitig einen Blick nach links, durch die Lücken zwischen den Stäben.
Ihr Vater lag auf dem Rücken. Die Fesseln waren so hart angezogen worden, daß er sich nicht bewegen konnte. Fackelschein fand seinen Weg und legte einen rotschwarzen Schleier auf seine Gestalt. Vivian versuchte auch, sein Gesicht zu erkennen, das war nicht möglich, denn der
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