Teufels-Friedhof
Kopf besaß eine zu starke Rückenlage.
Er atmete heftig. Der Brustkorb hob und senkte sich, und dort sollte sie ihn töten.
Plötzlich bekam sie eine Gänsehaut. Sie konnte es nicht vermeiden, auch das Zittern nicht.
Beides sah der rote Teufel. »Angst!« hauchte er. »Hast du Angst vor der eigenen Courage?«
Vivian schwieg.
Oschinski ließ ein hohl klingendes Kichern hören. »Wir stehen hier auf geweihtem Boden«, flüsterte er. »Dieser Friedhof ist dem Satan geweiht worden. Hier gelten die Gesetze der Hölle. Was hinter dir lag, mußt du vergessen. Für uns alle beginnt jetzt das neue, wichtige Leben. Wir werden in die Arme des Meisters gleiten, der uns von nun an beschützt. Aber zuvor mußt du es tun, Vivian!« Er sprach nicht mehr weiter, winkelte seinen Arm an, bewegte die Finger, und das Mädchen sah, wie seine Hand unter die Jacke kroch. Sie wußte, was er hervorholen würde, und sie hatte sich nicht geirrt.
Es war das Messer, das Teufelsmesser, denn sein Griff besaß an seinem Ende einen dreieckigen Satansschädel.
Die Klinge war dunkel. Auf beiden Seiten klebten eingetrocknete Blutflecken. Noch stammten sie nur von Tieren, in wenigen Minuten würde es anders sein.
Alle Grufties hatten die Bewegung mitbekommen. Keiner der Jugendlichen gab einen Kommentar ab. Niemand rührte sich. Die Gesichter richteten sich auf den roten Teufel und das Messer in seiner rechten Hand, das er Vivian reichte.
»Nimm es und töte ihn!«
Sie sah die Klinge dicht vor sich. Noch konnte sie ablehnen, wegrennen, aber sie erinnerte sich wieder an die Worte ihres Freundes. Heinz hatte ihr erklärt, daß sie es sein würde, die dann sterben mußte, wenn sie den Befehl nicht durchführte.
»Na willst du nicht?«
Vivian holte tief Luft. Ich kann nicht, wollte sie sagen, aber sie brachte kein Wort hervor. Statt dessen streckte sie vorsichtig ihren rechten Arm aus und faßte nach der Waffe.
Hart umklammerte sie den Griff. Oben schaute aus ihrer Faust der Teufelskopf hervor. Seine Augen waren etwas Besonderes. Zum erstenmal entdeckte sie, daß sie glühten. Zudem strahlte das Messer eine ungewöhnliche Wärme ab, die sich Vivian auch nicht erklären konnte.
Das Gitter des Grabes war nicht so hoch, als daß sie sich nicht hätte hinüberbeugen können. Frank trat zur Seite. Er machte es ihr leichter und gab den Weg frei.
»Du weißt, wo du hinzielen mußt, Vivian! Auf die linke Brustseite, wo sein verdammtes Herz schlägt. Hast du gehört? Auf die linke Brustseite mußt du zielen!«
Das Mädchen nickte. Sie tat es rein automatisch. Man hätte ihm auch wer weiß was erzählen können, sie hätte immer nur genickt. Am liebsten wäre es ihr gewesen, wenn sich der Boden aufgetan und sie verschlungen hätte.
Das war nicht der Fall, und so ging sie weiter, trat dicht an das Gitter heran, schaute darüber hinweg und wollte eigentlich auf die Brust ihres Vaters sehen, das jedoch konnte sie nicht. Sie stand wie unter einem Zwang und starrte in das Gesicht des Mannes.
Ihre Blicke trafen sich!
Vivian wurde zu Fis.
Sie konnte sich nicht rühren. Sie sah nur die Augen des Mannes, der ihr Vater war, und plötzlich schössen die Erinnerungen in ihr hoch. Zwanzig war sie, die Kindheit lag noch nicht lange zurück. Sie hatte sich mit ihrem Vater stets gut verstanden, für ihn war sie sein Sonnenschein gewesen.
Wie oft war er mit ihr in seiner knapp bemessenen Freiheit schwimmen gegangen. Er hatte mit ihr im Wald getobt, hatte sie gelehrt, Pilze zu sammeln, er hatte ihr das erste Fahrrad gekauft, den ersten Teddybär, und er hatte zusammen mit der Mutter an ihrem Bett gesessen, wenn sie mal krank gewesen war.
All das kam ihr wieder hoch, und es schoß auch in ihre Kehle. Ohne daß sie es merkte, füllten sich ihre Augen mit Tränen, so daß das bittende Gesicht ihres Vaters verschwamm.
Mitten in ihre Gedanken hinein hörte sie die knurrende Stimme des roten Teufels.
»Tu es, Vivian! Stoß ihm das verdammte Messer in die Brust! Wir warten nicht mehr lange!«
Vivian holte tief Luft. Sie merkte kaum, daß sie auch den Arm mit der Klinge anhob.
»Vivian…« Es war die Stimme ihres Vaters. Sanft sprach er sie an, so sanft, wie er immer geredet hatte, als sie noch ein kleines Kind gewesen war.
Sie weinte. Einer Sturzflut gleich, flössen die Tränen aus ihren Augen.
»Vivian, willst du es wirklich tun? Willst du deinen Vater umbringen, Mädchen?«
»Ja, sie wird es tun!« keuchte der rote Teufel. »Denn sie will eine Braut des Satans
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