Teufels Küche
für Tag im milden Sonnenschein am westlichen Rand des amerikanischen Traums, hörten vorwiegend Country-Western-Musik im Radio wegen der Geschichten, die sie erzählte, trommelten mit gelangweilten Fingern dazu auf den Türrahmen und starrten durch getönte Windschutzscheiben auf den Pazifik hinaus, während sie darauf warteten, daß irgendwas Unvermeidliches geschah – der Tod vielleicht; ganz gewiß kein Besuch von Steuerfahndern.
Drei Wochen lang hatte Citron mit ihnen gewartet und sich ihre Geschichten angehört, die ganz den Country-Western-Texten glichen, die sie bevorzugten, und im allgemeinen von betrogenen Geliebten, von treulosen Freunden, bösartigen Arbeitgebern und mißratenem Nachwuchs handelten.
»Weißt du, wie das hier ungefähr ist?« hatte der Philosoph der Cadillac People Citron einmal gefragt. »Das ist wie ein richtig schlechtes Kinoprogramm mit zwei Filmen. Du sitzt da und wartest, daß der erste vorbei ist und der andere anfängt, weißt aber verdammt gut, daß der zweite nicht besser ist als der erste. Aber du wartest trotzdem.«
Während dieser Lebenspause, wie er diese Periode später in Gedanken manchmal nannte, setzte Citron sechzehn Liter Benzin ein, um nach Venice zu fahren und in seinem Postfach nachzusehen. Die Miete für weitere sechs Monate für das Postfach war in zwei Wochen fällig. Citron hatte nicht die Absicht, sie zu bezahlen.
Das Postfach in Venice war Citrons letzter Vorposten, seine letzte Verbindung zur Zivilisation. Dorthin konnten Mahnbriefe geschickt werden; dort konnten Fremde ihn bedrängen, ihre kostspieligen Produkte zu kaufen oder Dienstleistungen zu beanspruchen, dort konnten die ältesten und treuesten Freunde ihm Postanweisungen hinschicken und ihn einladen, zu kommen und immer bei ihnen zu bleiben, dort konnten menschenfreundliche Stiftungen ihm Stipendien anbieten, und dort konnte jemand von irgendwoher ihm schreiben, daß sie ihn liebte.
Was Citron fand, waren vier Briefe des Finanzamtes, die er ungeöffnet in den Papierkorb warf. Ferner fand er neunzehn Postwurfsendungen, die gleichfalls beseitigt wurden, sowie zwei Briefe von der American Express Company, nachgeschickt aus Paris, von denen er annahm, daß sie grobe Zahlungsaufforderungen enthielten, und die ebenso ungeöffnet und ungelesen weggeworfen wurden.
Der einzige Brief, den Citron öffnete, war mit einer hübschen Handschrift in brauner Tinte an ihn adressiert. Es war die Einladung zu einer Spendenaktion der American Civil Liberties Union in Bel Air. Citron vermutete, die ACLU hatte seine Adresse irgendwie von Amnesty International erfahren.
Citron drehte sich um, um nach der Uhr im Postamt zu sehen. Er besaß immer noch keine neue Uhr und zweifelte manchmal daran, ob er je wieder eine besitzen würde. Die Uhr im Postamt zeigte 16.32 Uhr. Der ACLU-Empfang mit seiner Aussicht auf freies Essen und Trinken ging von 17 bis 19.30 Uhr. Citron suchte die öffentliche Toilette auf und musterte sich selbst im Spiegel. Seinen Revolverheldenschnurrbart hatte er erst am Tag zuvor gestutzt, gleich nachdem einer der Cadillac People seinem mit Grau durchzogenen braunen Haar kostenlos einen Schnitt verpaßt hatte, verbunden mit einer phantasievollen Geschichte darüber, daß er einmal Frank Sinatras Lieblingsfriseur in Tahoe gewesen sei.
Was die Kleidung betraf, trug Citron ein sauberes blaues Hemd, eine getragene, aber immer noch gute Tweedjacke, eine verblichene Jeans und vorzeigbare braune Halbschuhe. Das war die Uniform, die es ihm in Los Angeles ermöglichen würde, als aufrichtiger Bewährungshelfer oder als reicher Produzent durchzugehen.
Auf der Spendenaktion der ACLU in Bel Air gelang es Citron, ein Viertelpfund Käse verschiedener Sorten zu verdrücken sowie ein halbes Dutzend Cocktailwürstchen, vielleicht fünfzehn Cracker und zwei Gläser Weißwein, ehe er von Craigie Grey, der Schauspielerin, entdeckt, streng verhört und auf der Stelle als Hausverwalter ihres Apartmenthauses am Strand von Malibu engagiert wurde.
Als Craigie Grey 1971 zweiunddreißig geworden war, hatte sie einen langen trostlosen Blick auf ihr Bild in ihrem dreiteiligen Spiegel geworfen und eine Woche später jeden Cent, den sie auftreiben konnte, in eine Anzahlung auf ein zweistöckiges, strandnahes Apartmenthaus mit acht Einheiten am Pacific Coast Highway gesteckt, das etwa einen Block vom Pier entfernt in einem Teil von Malibu lag, der allgemein als etwas weniger schick galt.
Die rothaarige Filmschauspielerin kaufte
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