Teufelsbande: Ein neuer Fall für Julia Durant (Knaur TB) (German Edition)
wieder dicht.«
»So betrachtet bekommt die Psychologie für mich einen ziemlich sexistischen Beigeschmack«, hatte Julia daraufhin gesagt.
»Zum Teil ist es ja auch so, wobei man die Psychoanalyse und die Psychologie an sich nicht verwechseln darf. Jedes Verhältnis von Ärzten und Patienten ist von ungleicher Machtstruktur, aber unser ganzes Leben ist nach diesem Muster gestrickt. Schule, Beruf, Familie – überall. Unser Problem ist, dass wir es mit labilen Persönlichkeiten zu tun haben. Es ist ein doppelt ungleiches Spiel, und deshalb hat ein Therapeut auch diese übermäßige Macht gegenüber seiner Klientel. Mit dieser Verantwortung sollte man entsprechend umgehen. Und wegen dem Sexismus, nun ja, abgesehen davon, dass Sigmund Freuds Theorien fast ausschließlich auf der Arbeit mit jungen, attraktiven Frauen basieren, wirf einmal ein Blick in seine Texte. Das stößt bitter auf, wenn man in dieser Richtung empfindlich ist. Aber andererseits findet man dort eben auch eine Menge äußerst brauchbarer Ansätze.«
Nach dem Telefonat machte Julia Durant sich noch einige Notizen, bevor sie sich ihrer Müdigkeit bewusst wurde. Daraufhin stand sie auf, ging ins Bad, wusch sich, putzte sich die Zähne und registrierte mit einem kraftlosen Seufzer, dass sie dringend eine Maschine Buntwäsche anstellen musste. Doch morgen war auch noch ein Tag.
Im Bett begannen all jene Gedanken, die sie nicht mehr hatte niederschreiben können, in ihrem Kopf zu rotieren wie ein immer schneller werdendes Karussell. Keuchend und in kurzen Stößen atmend lag sie mit geschlossenen Augen da und sehnte sich danach, endlich einzuschlafen. Ihre Hand wanderte hinab auf ihren Solarplexus, und sie zwang ihre Atmung hinab in den Bauch. Bebend hob sich das Zwerchfell unter ihrer Linken, senkte sich wieder, der zweite Versuch gelang ihr bereits etwas gleichmäßiger.
Du hättest mit Alina über deine Wechseljahre sprechen sollen, rügte sie sich und überlegte, ob sie noch einmal aufstehen und zum Telefon greifen sollte. Doch insgeheim war Julia längst klar, dass sich ihre Kurzatmigkeit, die Hitze und jene beklemmende Enge in ihrem Brustkorb nicht mit dem Alter begründen ließen. Du hast eine Panikattacke, meine Liebe, sagte sie sich, und das hast du dir selbst zuzuschreiben. Viel zu lange frisst du schon wieder alles in dich hinein und schaltest zwischen Frankfurt und München hin und her, als gäbe es nichts Einfacheres als das. Und stets gute Miene zum bösen Spiel, Julia Durant, die Unantastbare, die Kaltschnäuzige, die Hypermega-Kommissarin, der niemand an den Karren fahren darf. Scheiße.
Als Julia sich endlich so weit beruhigt hatte, dass sie einschlafen konnte, war es längst Mitternacht, und selbst dann war ihr Schlaf nur oberflächlich und von mehreren Wachphasen unterbrochen.
Mittwoch
Mittwoch, 9:20 Uhr
J ulia Durant und Peter Brandt hatten sich vor Marion Kühnes Wohnung getroffen, Brandt war als Erster da gewesen und saß, die Offenbach Post übers Lenkrad gelegt, in seinem Alfa Romeo.
»Erster«, grinste er, als er die Kommissarin erblickte, deren toughe Art ihm durchaus gefiel, wenngleich sie ihn manchmal an eine gewisse kratzbürstige Staatsanwältin aus seiner Vergangenheit erinnerte, mit der er so häufig und verbissen aneinandergeraten war. Aber du siehst ja, wie viel mehr in einem Menschen steckt, dachte er und faltete die Zeitung zusammen.
Julia erwiderte die Begrüßung und öffnete ihrem Kollegen die Tür. Brandt klopfte sich einige Krümel von seinem Hemd, überlegte kurz, ob er seine Lederjacke anziehen sollte, ließ sie aber dann auf dem Beifahrersitz liegen. Die Morgensonne strahlte mit ganzer Kraft, wie an so vielen Tagen des Altweibersommers, der für den kühlen, verregneten Sommer zu entschädigen wusste.
Marion Kühne ließ die Kommissare stirnrunzelnd hinein, dabei fiel Julia Durant auf, dass sie sich etwas verkrampft zu bewegen schien. Als sie den Flur durchquerten, meinte die Kommissarin noch eine Veränderung zu spüren, konnte dieses Gefühl jedoch nicht festmachen.
»Frau Kühne, wir kommen erneut zu Ihnen, um über Ihre Aussage zu sprechen, die Sie bezüglich Samstag- und Sonntagnacht gemacht haben.«
Als diese nicht reagierte, fuhr Julia fort: »Vielleicht sollte ich Ihnen daher gleich zu Beginn mitteilen, dass wir gestern Abend Herrn Wehner vorläufig festgenommen haben.«
»Sie haben was?«, fragte Marion mit gepresster Stimme.
»Ich denke, Sie haben mich gut verstanden«, erwiderte
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