Teufelsbande: Ein neuer Fall für Julia Durant (Knaur TB) (German Edition)
wurden medizinisch behandelt, doch damit fing der Stress erst an. Niemand, und da gibt es in den Statuten keine Ausnahme, hat das Recht, seinen Clubpräsidenten anzugreifen. Egal, weshalb. Grabowski hätte das ›Recht‹ gehabt«, Julia setzte das Wort mit den Fingern in Anführungszeichen, »Kohlberger zum Abschuss freizugeben. Mutmaßlich kam es zu einer Einigung der beiden, denn die Geschwister Kohlberger hatten ihn mit der Vergewaltigungsanzeige natürlich ihrerseits in der Hand. Die Polizei hat den Vorfall im Krankenhaus aufgenommen, das verdanken wir Dr. Kühne, der sofort sexuelle Gewalt diagnostiziert hat. Doch auf Drängen ihres Bruders, so berichtete Frau Kühne, habe sie die Anzeige zurückgezogen, und trotz hitzigen Widerstands ihres Arztes verleugnete sie die Vergewaltigung fortan. Meine Hypothese dazu dürfte auf der Hand liegen: Die Freundschaft zwischen Kohlberger und Grabowski zerbrach an dieser Geschichte, und einige Zeit später gingen die beiden dann in ihren Clubs getrennte Wege, ja, wurden zu Todfeinden. Laut Marion Kühne wurde über diese Hintergründe niemals offen gesprochen.«
»Harter Tobak«, kommentierte Kullmer Durants Ausführungen. »Klingt aber schlüssig. Die Frage ist nur, wo kommt Lutz Wehner ins Spiel?«
»Dein Job, das aus ihm herauszukitzeln«, antwortete Julia, »auch wenn das kein Leichtes sein dürfte. Es dürfte für einen Kontrollfreak wie ihn unerträglich gewesen sein, an dem Abend nicht an Marions Seite gewesen zu sein und auch den Täter nicht zu kennen. Denn die Geschichte wurde ja totgeschwiegen.«
»Wenn die Dinge tatsächlich so liegen, kommt er jedenfalls als Täter für beide Morde in Frage«, warf Hellmer ein. »Mal angenommen, er hat die Sache herausgefunden und tötet nun die beiden Männer, die seine Freundin all die Jahre unter der vertuschten Vergangenheit leiden ließen?«
»Ich weiß nicht, Frank«, widersprach Sabine Kaufmann, »warum ausgerechnet jetzt, und wieso vergewaltigt er sie dann nach getaner Arbeit selbst? Das passt irgendwie nicht.«
»Wir sollten versuchen, Wehner und die Kühne nicht zwingend nach logischen Mustern beurteilen zu wollen«, gab Julia mahnend zu bedenken, »denn nach allem, was ich über Frau Kühne weiß, ist das, was die beiden haben, weit von einem normalen Verhältnis zueinander entfernt. Ich gebe dir jedoch in der Sache recht, dass Wehner als Tatverdächtiger noch viele Fragen aufwirft. Wie schätzt ihr ihn denn ein, Frank? Peter?«
Kullmer und Hellmer wechselten einen Blick, dann ergriff Frank das Wort: »Er wäre schon der Typ, der sich bei seiner Freundin damit brüstet, zwei Menschen getötet zu haben. Seine Strategie könnte ja auch gewesen sein zu sagen, dass er es für sie getan habe und sie ihm nun auf ewig zu Dank verpflichtet sei. Sexuelle Gefälligkeiten eingeschlossen.«
»So sehe ich das auch«, nickte Kullmer.
»Sexuell unterwürfig war sie ihm aber sicher schon vorher«, gab Julia zurück. »Doch mittlerweile reden wir von brutaler Vergewaltigung. Ich habe Alina Cornelius den Fall geschildert, anonym, versteht sich. Sie hält die Kühne für eine Kandidatin, die an einer BPS leiden könnte. Borderline-Persönlichkeitsstörung.«
»Borderline?«, wiederholte Sabine nachdenklich. »Hm.«
»Kennst du dich damit aus?«, wollte Hellmer wissen.
»Nur oberflächlich. Aber abwegig ist es sicher nicht, wenn Alina das für möglich hält. Das erschwert unsere Arbeit ungemein, denn auf BP-Frauen kann man sich in einer Anklageführung schwerlich verlassen. Die ändern ihre Meinung, wenn’s sein muss, sekündlich«, seufzte sie.
»Das muss uns aber kein Kopfzerbrechen bereiten«, erwiderte Julia, »denn Marion Kühne wird keinesfalls gegen Wehner aussagen. Den Widerruf seiner beiden Alibis ist alles, was wir von ihr zu erwarten haben. Der Rest liegt bei uns.«
»Wir sollten uns diese Ruslana Mitrov noch einmal vorknöpfen«, warf Brandt ein, »vielleicht weiß sie ja etwas über die alten Geschichten.«
»Sie meinen, dass Grabowski sie eingeweiht hat?« Kullmer verzog skeptisch das Gesicht.
»Ich glaube auch nicht dran«, stimmte Doris Seidel zu, »obgleich wir Frauen in der Regel weitaus mehr über unsere Männer wissen, als sie ahnen«, zwinkerte sie in Kullmers Richtung, und dieser winkte lässig ab.
»Das mag sein, aber so wie ich die Frau einschätze, vergöttert sie ihren Retter, denn so scheint sich ihr ach so heiliger Hanno ihr gegenüber aufgespielt zu haben«, widersprach Brandt
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