Teufelsbande: Ein neuer Fall für Julia Durant (Knaur TB) (German Edition)
und das Clubgeschehen miteinander verwoben. Diese Informationen wollte er mit seinen Frankfurter Kollegen teilen und ärgerte sich, dass er dem nicht früher die angemessene Beachtung geschenkt hatte. Als er den letzten Schriftzug getan hatte, trat er einen Schritt zurück und warf einen prüfenden Blick auf das Board und seinen Notizblock, den er in der Linken hielt. Er nickte zufrieden, wenngleich er beim Betrachten seiner Skizze feststellen musste, dass er einfach nicht dafür geschaffen war, auf senkrechte Flächen zu schreiben.
»Bitte verzeihen Sie mir meine Sauklaue«, sagte er und hob mit einem schiefen Lächeln die Schultern, »aber ich denke, man erkennt das Nötigste, oder?«
Zustimmendes Murmeln und Nicken.
»Okay«, fuhr er fort und deutete auf die rechte Spalte, wo er die Begriffe untereinandergereiht hatte. »Halten wir das knapp, aber wir kommen nicht umhin, uns kurz über den Biker-Jargon zu unterhalten, bevor wir ins Detail gehen. Wenn man die Polizeiberichte und Zeitungsartikel zum Thema liest, tauchen oftmals dieselben Anglizismen auf. Scheinbar wird das mittlerweile als Allgemeinwissen vorausgesetzt, falls einer von Ihnen das also schon kennen sollte, darf er mich gerne ergänzen oder ein paar Minuten auf Durchzug schalten.«
Kullmer lachte leise und murmelte etwas zu Seidel, was Brandt allerdings nicht verstand. Unbeirrt las er den ersten Begriff vor:
» Chapter: Das ist die Bezeichnung für den Ortsverein eines Motorradclubs. Wenn ein Club landesweit agiert, hat er also in Großstädten oder Landkreisen kleinere Abteilungen, die in der Regel autark sind. Das bedeutet, sie haben einen eigenen Präsidenten, eigene Finanzen et cetera. Sie müssen allerdings ihrem Dachverband – bitte verzeihen Sie, aber eine bessere Vergleichsbezeichnung fällt mir nicht ein – Rechenschaft ablegen. Außerdem unterliegen sie natürlich gewissen Statuten. Die Mitglieder kennzeichnen sich durch sogenannte Patches. Das sind die Aufnäher auf den Lederwesten oder Kutten. Wird ein Mitglied verbannt oder steigt aus, muss es diese Clubkennzeichen restlos beseitigen. Die großen Clubs, deren Mitglieder nicht selten tätowiert sind, verlangen angeblich sogar, dass die Tattoos entfernt werden. Im Idealfall werden sie geschwärzt, aber irgendwo im Norden ist es wohl schon einmal vorgekommen, dass die Hautstellen einfach mit einem Bügeleisen verbrannt wurden.«
»Autsch«, entfuhr es Sabine Kaufmann.
»Diese Qualen möchte ich nicht durchstehen«, nickte Hellmer. »Es könnte aber erklären, wieso wir bei Kohlberger nichts in dieser Richtung gefunden haben, oder?«
»Ja und nein«, fuhr Brandt fort. »Wenn Kohlberger rausgeworfen wurde, kann das natürlich sein, aber warum sollte der Club seine Maschine zerstören? Die Praxis, dem Club das Motorrad zu überschreiben, von der Frau Kühne ja berichtet hat, ist übrigens nicht nur bei den Mogin Outlaws gang und gäbe. Das wäre also unlogisch. Es gibt aber in Sachen Patches noch eine weitere Regel: Man hat auf sie zu achten. Der Verlust seiner Kutte ist eine der größten Schanden, die man über sich und den Club bringen kann. Vielleicht weht daher der Wind? Kohlberger als designierter Bandenchef, tot auf seiner Harley, plaziert an der Reviergrenze und mit Kleidung ohne Insignien? Demütigender ginge es wohl kaum noch. Aber ich möchte zuerst noch rasch die weiteren Punkte durchgehen, bevor wir spekulieren. Prospect. Bevor Sie sich wundern: Den Begriff möchte ich nur kurz erläutern, aber die dahintersteckende Rolle dürfte sich als durchaus relevant erweisen. Es ist die Bezeichnung für Anwärter, also in der Regel junge Männer, auf die Motorradclubs ja abzielen. Doch anstatt jeden aufzunehmen, gibt es ein langwieriges und erniedrigendes Aufnahmeverfahren, etwa so, wie wir es aus Filmen über amerikanische Studentenverbindungen kennen. Haben Sie The Skulls gesehen?«
Brandt blickte fragend in die Runde. Durant, Hellmer und Kaufmann nickten, Kullmer runzelte nachdenklich die Stirn.
»Wie auch immer.« Brandt winkte ab. »Es geht hier um Mutproben, entwürdigende Tätigkeiten oder auch um die Ordonnanz der Führungsriege. Und natürlich Kleinkriminalität und alles, was sich an illegalen Aktivitäten rund um das Clubgeschehen abspielt. Für die ranghohen Clubmitglieder ist es eine bequeme Möglichkeit, jedwede Drecksarbeit von anderen machen zu lassen, und für die jungen Kerle, die sich eine Hand abhacken lassen würden, bloß um dazuzugehören, scheint keine
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