Teufelsengel
gehaltene Küche. Man konnte sich in dem glänzenden schwarzen Granitboden spiegeln, und auch die schwarzen Wandkacheln waren hochglanzpoliert.
Bert registrierte erleichtert einen knallroten Topfhandschuh, der in Herdnähe an der Wand hing. Es war das einzige Anzeichen von Lebendigkeit in diesem Zimmer.
Ingo Pangold bereitete den Kaffee in einer dieser Maschinen zu, die mit Kapseln gefüttert wurden. Die Tassen waren, ebenso wie die Einrichtung, schwarz und hatten einen silbernen Henkel.
Sie trugen ihre Tassen ins Wohnzimmer hinüber, saßen eine Weile vor der großzügigen Fensterfront und schauten in die Dunkelheit hinaus, die von Lichtpunkten gesprenkelt war. Der Rhein schimmerte wie altes, mattes Glas. Bert hätte am liebsten die ganze Nacht so gesessen, ohne zu reden, ohne die Stille auch nur mit einer Bewegung zu zerstören.
Doch das war nicht möglich.
»Ich habe Ihnen den Katalog schon bereitgelegt«, brach Ingo Pangold schließlich das Schweigen. »Vielleicht irre ich mich ja auch. Hoffentlich.«
Bert hatte diesen Mann anders in Erinnerung. Glatt und gerissen und nicht bereit, auch nur die Andeutung einer Emotion zu zeigen. Möglicherweise empfand er mehr für Romy Berner, als er zugab, mehr sogar, als er sich selbst eingestand.
Er schlug den Katalog an der Stelle auf, die mit einem Lesezeichen markiert war.
Es durchfuhr ihn wie ein Stromstoß. Das waren die Tattoos, nach denen sie gesucht hatten.
Das aufgeschlagene Buch.
Der Fisch.
Es überrieselte ihn kalt, als ihm klar wurde, dass es sich hierbei wahrscheinlich sogar um Fotos der Handgelenke von Thomas Dorau und Sally Jensch handelte.
Das Buch und der Fisch waren nicht die einzigen Tattoos in diesem Kunstkatalog, und alles in Bert sträubte sich gegen die Ahnung, dass auch einige von ihnen auf der Haut weiterer Opfer gefunden werden würden.
»Sind es die Tattoos von Thomas Dorau und Sally Jensch?«, fragte Ingo Pangold.
Sie hatten die Presse zwar über die Motive der Tätowierungen informiert, jedoch keine Fotos herausgegeben.
»Ja«, antwortete Bert knapp.
Bei aller Euphorie, endlich einen schwachen Lichtschein am Ende des Tunnels zu erblicken, durfte er nicht vergessen, mit wem er hier zusammensaß. Ein Wort zu viel und Bert würde es morgen in der Zeitung lesen können.
»Was haben Sie über den Künstler in Erfahrung gebracht?«, fragte er.
Ingo Pangold hob die Schultern.
»So gut wie nichts. Er hat seine Identität nicht preisgegeben, und aus der Agentur, die ihn vertritt, habe ich nichts herausbekommen. Man war lediglich bereit, mir zu verraten, dass er als Mönch in einer Ordensgemeinschaft lebt.«
Es fiel Bert schwer, seine Aufregung zu verbergen.
»Wissen Sie, in welcher Stadt?«
»Die haben sich leider keine weitere Information entlocken lassen, obwohl ich alle Register meiner Überredungsund Bestechungskunst gezogen habe.«
Das konnte Bert sich vorstellen.
»Ich werde mich gleich morgen früh darum kümmern«, sagte er. »Jetzt erreiche ich dort keinen mehr.«
»Und wenn es morgen zu spät ist?«
Ingo Pangold sah reichlich mitgenommen aus.
»Was verbindet Sie mit Romy Berner?«, fragte Bert. »Warum machen Sie sich so große Sorgen um sie?«
Es kam ihm so vor, als wäre Ingo Pangold bei dieser Frage blass geworden, aber vielleicht bildete er sich das auch nur ein.
»Sie ist ein feiner Kerl und hat das Zeug, einmal eine echt begnadete Kollegin zu werden.«
Ein feiner Kerl, dachte Bert. Das glaubst du doch selber nicht.
Aber er hatte keine Zeit, sich darüber den Kopf zu zerbrechen. Er klemmte sich den Katalog unter den Arm, bat den Journalisten, sein Handy nicht auszuschalten, falls noch Fragen auftauchen sollten, gab ihm seine Karte und verabschiedete sich.
Als er im Wagen saß, zog er sein Handy aus der Tasche. Er hoffte inständig, dass Rick seines nicht ausgeschaltet hatte.
»Hallo, Bert.«
Es war noch der Rest eines Lachens in Ricks Stimme. Im Hintergrund hörte Bert Musik. Er unterbrach die Party nur ungern.
»Wo bist du, Rick? Wir müssen uns sehen.«
Calypso, Tonja und Helen saßen zusammen in ihrer Küche und warteten. Auf Romys Schritte im Treppenhaus, einen Anruf, irgendwas. Sie hatten längst aufgehört zu reden. Es gab nichts mehr zu sagen. Sie hatten alle Worte aufgebraucht.
Ab und zu nickte eins der Mädchen ein und riss sofort den Kopf wieder hoch. Schließlich holte Tonja ihren kleinen Fernseher aus ihrem Zimmer, stellte ihn auf die Kommode und schaltete ihn ein. Licht flimmerte und
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