Teufelsengel
sich zwischen den Scherben.
Romy kam mühsam auf die Füße. Arno und zwei andere Mönche hielten sie fest. Sie trat nach ihnen und biss Bruder Arno so heftig in die Hand, dass sie Blut auf der Zunge schmeckte.
»Ihr seid Mörder!«, rief sie. »Feige, dreckige Mörder!«
Vero stand auf und gab damit das Zeichen zum allgemeinen Aufbruch.
»Habt ihr sie alle umgebracht? Mona? Ingmar? Thomas? Alice? Und … Sally?«
Tränen liefen Romy übers Gesicht. Tränen der Trauer und der Wut.
»Warum? Was haben sie euch getan?«
Bruder Arno zerrte an ihrem Arm. Er wollte sie aus diesem Raum entfernen. Seine linke Hand blutete. Romy setzte sich mit aller Kraft zur Wehr.
»Und was ist mit Pia? Was habt ihr mit Pia gemacht? Wo habt ihr sie versteckt?«
Sie schleiften sie zur Tür. Ihre Schuhe glitten mit einem schrillen Quietschen über den Boden.
»Ich werde euch das Handwerk legen! Ich werde berichten, was hinter diesen Mauern geschieht! Selbst wenn ihr mich umbringt - die Wahrheit kommt ans Licht, dafür habe ich gesorgt!«
Das Letzte, was sie von Vero erkennen konnte, bevor sie hinausgeschleppt wurde, war sein nachdenkliches Gesicht. Vielleicht hatten ihre Worte doch etwas bewirkt. Aber tief im Innern wusste sie, dass sie sich da etwas vormachte.
Schon vor geraumer Zeit hatte Vero Vorkehrungen für den Notfall getroffen. Seitdem standen immer ein gepackter Koffer und eine Tasche mit wichtigen Papieren bereit. Daran musste er denken, als er die Versammlung verließ und zu seinen Räumen ging.
Es hatte bereits einige Male den Anschein gehabt, als sei die Sache in Gefahr. Doch es war ihnen immer wieder gelungen, aus jeder schwierigen Lage einen Ausweg zu finden. Deshalb machte er sich auch jetzt keine wirklichen Sorgen. Es war nur beruhigend, zu wissen, dass ihm nichts passieren konnte.
Für seine Mitbrüder hatte er keine Vorsorge getroffen. Im Fall einer Flucht wären sie bloß ein Klotz am Bein. Ebenso gut könnten sie sich gleich in friedlicher Eintracht verhaften lassen.
Es gab einen Plan A und einen Plan B.
Plan A bedeutete, dass Vero sich in Sicherheit bringen, eine andere Identität annehmen und irgendwo auf der Welt eine neue Gemeinschaft aufbauen würde.
Plan B wäre das endgültige Aus. Vero würde sich selbst, die Mitbrüder und das gesamte Kloster in die Luft jagen. Jede Spur auslöschen und jedes Zeichen von Leben.
Es kam darauf an.
Aber noch hielt er die Fäden in der Hand und seine Marionetten bewegten sich so, wie er es wollte.
Calypso wartete schon, als Ingo das Alibi betrat. Sie schüttelten sich die Hand und Ingo bestellte sich einen doppelten Espresso.
»Eine Idee, wo sie sein könnte?«, fragte er.
Calypso schüttelte den Kopf. Er hatte den ganzen Nachmittag damit verbracht, herumzutelefonieren und jeden mit Fragen zu löchern, der in irgendeiner Verbindung zu Romy stand, und sei sie noch so unbedeutend.
Er hatte Tonja und Helen ausgequetscht und mit Gregory Chaucer telefoniert. Er hatte Björn angerufen und der hatte sich mit den Eltern auf Mallorca in Verbindung gesetzt. Es war nichts dabei herausgekommen.
»Wir sollten zur Polizei gehen«, sagte Calypso.
»Und Romy als vermisst melden? Und wenn sie lediglich bei ihren Recherchen aufgehalten worden ist? Was meinst du, wie die sich aufregt, wenn sie erfährt, dass wir ihr die Bullen auf den Hals gehetzt haben.«
»Das müssen wir riskieren.«
Ingo rieb sich nachdenklich das Gesicht. Er war blass und wirkte überarbeitet. Und auf eine unerwartete Weise sympathisch. Er trank seinen Espresso aus, dann hatte er eine Entscheidung getroffen.
»Okay«, stimmte er zu. »Morgen früh schalten wir die Bullen ein.«
»Warum nicht gleich? Wenn Romy Hilfe braucht, zählt jede Minute.«
»Wir haben nichts in der Hand.«
Ingo schien sich echte Sorgen um Romy zu machen. Das ganze Ich-bin-der-King-Gehabe war von ihm abgefallen.
»Romy ist verschwunden, und in einer Fotoausstellung sind ein Buch und ein Fisch als Tattoo aufgetaucht. Mehr haben wir nicht zu bieten. Das kann eine ziemliche Lachnummer werden.«
Er hatte recht. Sie sollten diese eine Nacht noch abwarten. Vielleicht kam Romy ja am Abend quietschvergnügt von ihren Recherchen zurück und lachte sich kaputt über die ganze Aufregung.
»Okay«, sagte Calypso. »Morgen früh. Ich rufe dich an.«
Kapitel 25
Schmuddelbuch, Dienstag, 25.November, Diktafon
So müde. So schläfrig. Er hat mir schon wieder diese verdammte Spritze gegeben.
Wie viel Zeit ist
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